Berichte

StVO – Überholen von Radfahrern

Wenn sich schnelle und langsame Verkehrsteilnehmer eine gemeinsame Fahrbahn teilen, kommt es immer wieder zu gefährlichen Situationen. Deswegen dürfen langsame Traktoren nicht auf Autobahnen fahren und Autofahrer dürfen nicht durch Ortschaften rasen. Leider müssen dennoch häufig unterschiedlich schnelle Verkehrsteilnehmer die gleiche Fahrbahn benutzen, da nicht genügend Platz für eigene Fahrbahnen vorhanden ist oder der Bau von beispielsweise zusätzlichen Radwegen oder Fahrbahnen für Elektrokleinstfahrzeug zu kostspielig wäre.
In Tempo-30-Zonen dürfen sogar keine benutzungspflichtigen Radwege ausgewiesen werden. Sie dürfen nur Straßen ohne Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295) und Leitlinien (Zeichen 340) umfassen, weshalb auch die Anlage von Schutzstreifen unzulässig ist. Dies führt immer wieder zu Verwirrungen, wenn Markierungen auf dem Bürgersteig einen Radweg vermuten lassen, tatsächlich aber kein Radweg vorhanden ist.
Dass Radfahrer mit PKWs und LKWs gemeinsam unterwegs sind, gehört somit zum Straßenbild und damit leider auch immer wieder fürchterliche Unfälle bei denen Radfahrer verletzt oder gar getötet werden.
Unfälle passieren meist in Folge von Unachtsamkeit, Fehleinschätzungen oder Rücksichtslosigkeit. Damit der Straßenverkehr soweit geregelt abläuft, dass es theoretisch nicht zu Unfällen kommt, gibt es die Straßenverkehrsordnung (StVO). Einen besonderen Schutz genießen die schwachen und langsamen Verkehrsteilnehmer. So ist in der Straßenverkehrsordnung auch genau geregelt, welche Bedingungen beim Überholen von Radfahrern, Fußgängern und Elektrokleinstfahrzeugen eingehalten werden müssen.

Wer zum Überholen ausscheren will, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Beim Überholen muss ein ausreichender Seitenabstand zu den anderen Verkehrsteilnehmern eingehalten werden. Beim Überholen mit Kraftfahrzeugen von zu Fuß Gehenden, Rad Fahrenden und Elektrokleinstfahrzeug Führenden beträgt der ausreichende Seitenabstand innerorts mindestens 1,5 m und außerorts mindestens 2 m. An Kreuzungen und Einmündungen kommt Satz 3 nicht zur Anwendung, sofern Rad Fahrende dort wartende Kraftfahrzeuge nach Absatz 8 rechts überholt haben oder neben ihnen zum Stillstand gekommen sind. Wer überholt, muss sich so bald wie möglich wieder nach rechts einordnen. Wer überholt, darf dabei denjenigen, der überholt wird, nicht behindern.

Quelle: StVO, § 5, Überholen (Stand Mai 2020)

Während die meisten Autofahrer sehr diszipliniert an roten Ampeln anhalten und versuchen keine Fußgänger auf einem Fußgängerüberweg zu überfahren, missachten sie andere Verkehrsregeln jedoch konsequent. So wird der Sicherheitsabstand beim Überholen von Radfahrern üblicherweise nicht eingehalten oder es werden zur Einhaltung des Abstandes unerlaubt Fahrstreifenbegrenzung und Sperrflächen überfahren, der Gegenverkehr behindert oder gefährdet und die Geschwindigkeitsbegrenzungen nicht eingehalten.

Als ich innerorts auf einer kurvigen Straße mit Baustellen, durchgezogenen Linien, Sperrflächen und Abbiegespuren hinter einen Radfahrer kam, war ein Überholen unter Einhaltung der Straßenverkehrsordnung auf einem längeren Abschnitt nicht möglich. Die Fahrzeuge vor mir hatten den Radfahrer mit wenig Abstand und unter Missachtung von Sperrflächen und durchgezogenen Linien überholt. Die Autofahrer hinter mir hatten relativ bald gehupt. (Rechtswidrig, da Schallzeichen innerorts nur als Hinweis auf eine Gefahr erlaubt sind! Lediglich außerorts darf ein Schallzeichen auch zur Ankündigung einer Überholabsicht eingesetzt werden.) Anschließend sind die Fahrzeuge dann in einer Kolonne über durchgezogene Linien, Sperrflächen und Abbiegespuren vorbeigefahren.
Mit Sanktionen muss natürlich niemand rechnen, da nichts passiert ist und das rücksichtlose Verhalten somit nicht weiter verfolgt wird. Leider werden die Autofahrer mit jedem erfolgreichen gefährlichen Überholmanöver unter Missachtung unzähliger Verkehrsregeln weiter darin bestätigt, dass die Einhaltung der Straßenverkehrsordnung im Alltag weitgehend nach eigenem Ermessen erfolgen kann. In gewisser Weise sind Straßen sogesehen ein rechtsfreier Raum. Konsequenzen gibt es deshalb üblicherweise nicht frühzeitig als Warnung, sondern erst, wenn es wieder zu einem weiteren Unfall gekommen ist. Dann ist es jedoch für alle Beteiligten zu spät.

Als Autofahrer, der versucht, die zu unserem Schutz festgelegt Verkehrsregeln einzuhalten, fühlt man sich in einer solchen Situation natürlich als Bremsklotz, der den Zorn der anderen Fahrer auf sich zieht und man muss dem Drang widerstehen, vielleicht doch etwas riskanter zu überholen, nur um die anderen Autofahrer nicht weiter zu nerven, indem man hinter dem Radfahrer herschleicht.
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