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LKW-Fahrer – Lastenesel, Sündenböcke und Hornochsen?

Lagerhaltung kostet Geld und an Geld mangelt es immer. Es dürfte wohl kaum jemanden geben, der behauptet, zu viel Geld zu haben. Selbst die Ultrareichen haben permanent zu wenig Geld und genießen die Rendite, die sie aus Investition und Anlage ihres bisherigen Vermögens beziehen.
Da ist es naheliegend, dass jeder versucht, seine Kosten gering zu halten und die Gewinne so zu maximieren. Geld kann man sparen, indem man die Lagerhaltung auf die Straße verlagert und sich die benötigten Rohstoffe und Waren exakt dann liefern lässt, wenn man sie benötigt. Die Verantwortung, dass die Waren pünktlich an der Laderampe abgeliefert werden, wird letztendlich den LKW-Fahrern aufbürdet. Die LKW-Fahrer müssen nicht nur tonnenweise nicht reparierbare Wegwerfprodukte transportieren, die schnell kaputt gehen, damit gleich wieder neue Produkte gekauft werden, sie müssen dabei auch noch extrem pünktlich sein. Puffer in Form von Lagerhallen, die Verspätungen abfangen, werden häufig durch entfernte Zentrallager ersetzt oder ganz eingespart.
Dieses aberwitzige Wirtschaftssystem, führt also durch die geplante Obsoleszenz in gewisser Weise zu einem besonders hohen Transportaufkommen, denn je mehr vorzeitig weggeworfene Waren weggeworfen wird, um so mehr Nachschub muss geliefert werden. Dadurch bilden sich Staus auf den dafür nicht ausgelegten Straßen. Die Zeitverluste durch die Staus müssen die LKW-Fahrer durch einen schier unvorstellbaren körperlichen Einsatz ausgleichen. Für Pausen ist wenig Zeit, wenn dann die Gefahr besteht, dass vorgegebenen Zeitfenster nicht eingehalten werden.

Die Politiker, die in Corona-Zeiten so besorgt um die Gesundheit eines jeden einzelnen Bürgers sind, interessiert das Schicksal der LKW-Fahrer aber wenig. Die grundlegenden Verwerfungen des Geld- und Wirtschaftssystems werden nicht einmal angesprochen. Verbesserung ist somit nicht in Sicht. Stattdessen macht man den LKW-Fahrern realitätsfremde Vorgaben zu den Lenk- und Pausenzeiten und droht mit harten Strafen bei Missachtung. Die Fahrer werden damit alleine gelassen. Auf der einen Seite der extreme Zeitdruck. Auf der anderen Seite drohende Strafen bei Überschreiten der erlaubten Fahrzeiten.
Und selbst wenn ein LKW-Fahrer die vorgeschriebene Pause einhalten will, dann steht er mitunter vor der Herausforderung, einen Parkplatz zu finden. Daran mangelt es nämlich im stolzen Land der Autofahrer und Autobahnen ohne Geschwindigkeitsbegrenzungen. Die Politiker, die immer nach Wirtschaftswachstum schreien, halten es nicht für nötig, auch für die notwendigen Parkplätze mit sauberen sanitären Anlagen und ordentlicher Verpflegung zu sorgen. Es fehlt an Parkplätzen. Vor allem fehlt es an Parkplätzen, die nicht nur für das nötigste ausgelegt sind, sondern auch noch einen gewissen Komfort bieten. Die Parkplätze sollten ordentlich gestaltet und gepflegt sein. Für LKW-Fahrer ist die Straße fast so etwas wie ihr Zuhause. Sie leben dort, essen dort und schlafen dort. Da würde es sehr zur Entspannung und zum Wohlbefinden beitragen, wenn die Rastanlagen schön gestaltet sind. Dazu könnten auch Grünanlagen beitragen. So wie Büromitarbeiter in der Mittagspause zur Erholung durch die Stadtparks spazieren, sollten auch LKW-Fahrer die Chance haben, sich die Beine in ansprechenden einer Grünanlage zu vertreten.
Dafür ist jedoch leider kein Geld da. Wie auch, an Geld mangelt es ja immer. Erstaunlicherweise ist aber trotz der Geldknappheit immer genug Geld für die permanente Umverteilung von den fleißigen arbeitenden Menschen zu den Kapitalgewinnern vorhanden, dass dazu geführt hat, das mittlerweile Einzelpersonen mehr finanzielle Möglichkeiten haben, als manche Staaten. Für die LKW-Fahrer ist trotz der umfangreichen Steuereinnahmen durch den Straßenverkehr seltsamerweise kein Geld da. Die Fahrer sollen möglichst nur mit dem allernötigsten abgespeist werden. Während die Konzernbosse in Privatjet zur Golfpartie fliegen, quälen sich die LKW-Fahrer, die das Geld für das Flugzeug erarbeiten, für einen Hungerlohn übermüdet durch durch den Verkehr.

Viele Autofahrer sind zornig auf LKW-Fahrer, weil “diese Hornochsen” ständig im Weg rumschleichen. Und wenn man wieder von einem Auffahrunfall ließt, bei dem ein LKW-Fahrer ein Stauende übersehen hat und einen PKW zwischen sich und einem anderen LKW zermalmt hat, dann könnte man zornig werden. Aber man sollte sich die Frage stellen, in was für einem Zustand der Fahrer war. Musste er bereits unzählige Stunden ohne Chance auf eine Pause fahren? Sind ihm irgendwann vor Erschöpfung einfach die Augen zugefallen? Hatte er gesundheitliche Probleme, weil der Lebensstil erzwungenermaßen ungesund ist? Wenig Bewegung, wenig Chancen auf gesundes Essen? Vielleicht war der LKW-Fahrer auch ein Opfer.
Es ist nicht fair, sofort auf die LKW zu schimpfen. Auch wenn es gewiss einige gibt, die leichtsinnig ihre Fähigkeiten überschätzen und zudem glauben, ihre Bremsen könnten physikalische Gesetzmäßigkeiten außer Kraft setzen, so dass sie keine Sicherheitsabstände einhalten müssen. Viele LKW-Fahrer werden sich aber ihrer Verantwortung bewusst sein und vielleicht dennoch einen Unfall bauen, weil sie einfach am Ende ihrer Kräfte waren. Diese oft beschimpften LKW-Fahrer sorgen dafür, dass die Regale in den Supermärkten auch dann gefüllt sind, wenn die Konzernbosse maximal knapp und ohne Reserven kalkuliert haben, um ihren eigenen Profit noch weiter zu steigern.
Als Autofahrer sollten wir so viel Rücksicht auf LKW-Fahrer nehmen, wie es uns möglich ist. Wenn ein LKW-Fahrer auf die Autobahn auffahren will, sollten wir es ihm so leicht wie möglich machen und uns nicht noch vorbei drängeln, um ein paar Sekunden früher am Ziel zu sein. Das gelingt nicht immer. Man kann und darf dafür keine Vollbremsung machen oder blitzartig auf die linke Spur ausweichen, um Platz zu machen. Durch vorausschauendes Fahren hat man aber häufig durchaus die Chance, frühzeitig zu erkennen, ob ein LKW Platz braucht und dann kann man auch mal ein wenig vom Gas gehen.
Und auch wenn man sagt, dass LKW-Fahrer insbesondere Autofahrern gegenüber rücksichtslos sind, so möchte ich dies anzweifeln. Klar, LKW-Fahrer verhalten sich immer wieder auf eine Art, bei der man denkt, sie wollten dem Autofahrer etwas böses. Wer kennt nicht die Situation, bei der ein LKW-Fahrer vor einem zu einem “Elefantenrennen” ansetzt und dann über lange Zeit die linke Spur blockiert. Das wars dann mit der “freien Fahrt für freie Bürger”. Das machen die LKW-Fahrer aber wohl kaum, um den Autofahrern zu schaden, sondern eher deshalb, weil sie unter einem enormen Zeitdruck stehen. Und es gab auch schon einige Situationen, in denen LKW-Fahrer mir als Autofahrer Platz gemacht haben und mir dadurch sehr geholfen haben. Für einen LKW-Fahrer sind solche Manöver deutlich schwieriger und riskanter, als für einen Autofahrer. Für die Rücksichtnahme bin ich den LKW-Fahrern sehr dankbar und wenn sich mir die Gelegenheit bietet, einem LKW-Fahrer die Arbeit etwas angenehmer zu gestalten, indem ich ihm den Vortritt lasse, dann tue ich das gerne. Und wenn sich doch mal wieder Ärger auf einen LKW-Fahrer einschleicht, dann kann man sich bewusst machen, was die Fahrer jeden Tag für uns leisten und welche Mühen sie dafür auf sich nehmen. Das sollten alle Verkehrsteilnehmer so handhaben. Nicht nur, weil Paragraph 1 der Straßenverkehrsordnung die gegenseitige Rücksichtnahme fordert, sondern auch, weil es der Anstand gebietet, auf andere Rücksicht zu nehmen!

Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)

§ 1 Grundregeln

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

LKW-Fahrer sind zweifelsohne die Lastenesel und Sündenböcke für ein verfehltes Finanz- und Wirtschaftssystem. Sie werden von den Konzernbossen ausgebeutet und von der Politik im Stich gelassen. Ja, LKW-Fahrer sind vieles, aber Hornochsen sind sie gewiss nicht!


Weiterführende Informationen:

Stress, Müdigkeit, Parkplatznot: Knochenjob Lkw-Fahrer

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Lkw-Branche: Sorgen, Nöte und Arbeitsbedingungen der Trucker
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