Leichtfertiger Umgang mit demokratischen Errungenschaften
Standing Ovations für die Kanzlerin: Angela Merkel hat in ihrer Rede am Tag der Einheit zum Erhalt der Demokratie und gegen gesellschaftliche Verrohung aufgerufen: Die Revolution von 1989 hätte auch »anders ausgehen« können.
Demokratie ist nicht einfach da, sondern wir müssen immer wieder für sie miteinander arbeiten«, sagte Angela Merkel (CDU) am Sonntagmittag beim offiziellen Festakt zum Tag der Deutschen Einheit in Halle in Sachsen-Anhalt. »Manchmal jedoch, so fürchte ich, gehen wir mit den demokratischen Errungenschaften etwas zu leichtfertig um.«
Quelle: Spiegel: »Gehen mit demokratischen Errungenschaften etwas zu leichtfertig um«
Die Bundeskanzlerin, die im April mal eben ganz nonchalant die Länderchefs entmachtet hat und damit auf dem föderalen Prinzip herumtrampelt, macht sich plötzlich Sorgen um die Demokratie? Zumindest handelt es sich um eine Entmachtung, die nach Aussage der Tagesschau “kaum weh tut“. Natürlich tut es kaum weh, die Spielkarte der Entmachtung der Länderchefs wird nur dann ausgespielt, wenn die Länderchefs mal nicht tun, was die Bundeskanzlerin und ihre Hintermänner (und Hinterfrauen und Hinterdiverse … oder wie man es mittlerweile gendergerecht formulieren muss) wollen. So lange die Länderchefs der Kanzlerin nicht widersprechen, bleibt alles beim Alten. Die Entmachtung kommt also nur zum Tragen, wenn die Länderchefs eine abweichende Meinung vertreten. Dies ist vielleicht nicht so oft der Fall.
Das Problem nach dieser Option zur Entmachtung im Bedarfsfall der Länderchefs durch die Bundeskanzlerin ist nun, dass damit klar geworden ist, dass die Freiheit der Länderchefs nur eine Illusion ist, die bei Bedarf jederzeit einkassiert werden kann. Dabei ist die Aufteilung in Bund und teilsouveränen Gliedstaaten eigentlich ein ganz wesentliches Element der demokratischen Ordnung. In der Bundesrepublik ist der Föderalismus durch Artikel 20 des Grundgesetzes ein Staatsstrukturprinzip und somit grundlegender Teil des politischen Systems. Die Ewigkeitsklausel legt fest, dass er unabänderlich festgeschrieben ist. Den Gründern dieser Ordnung war es also offensichtlich außerordentlich wichtig, dass an diesem Prinzip nichts verändert wird. Wer sich ein bisschen mit der deutschen Geschichte befasst hat, wird verstehen, warum diese Ordnung mit der Ewigkeitsklausel geschützt ist! Die rechtlichen Funktionen des Föderalismus liegen vornehmlich darin, die Demokratie zu stärken.
Und was macht die Bundeskanzlerin? Sie hebelt diesen Schutz nun einfach aus, als gäbe es keine Ewigkeitsklausel und schwächt damit folglich die Demokratie. Dies ist schon schlimm genug. Sich nun aber auch noch hinzustellen und darüber zu klagen, dass “wir” mit den demokratischen Errungenschaften etwas zu leichtfertig umgehen, ist schon recht dreist. Müsste Frau Merkel den Satz also eigentlich nicht eher folgendermaßen formulieren?
»Manchmal jedoch, so fürchte ich, gehe ich mit den demokratischen Errungenschaften etwas zu leichtfertig um.«