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Tierklinik mit Notdienst in einer 15-Minuten-Stadt?

Die nächste größere Tierklinik, die auch noch nachts durchgehend zumindest im Notdienst erreichbar war, ist bei uns etwa 30 Kilometer entfernt. Die Öffnungszeiten für den Notdienst wurde dann irgendwann auf 24 Uhr begrenzt und nun auf 22 Uhr unter der Woche und 18 Uhr an Wochenenden und Feiertagen. Bei einem Notfall mit einem Haustier ist nun also damit zu rechnen, dass wir für eine medizinische Versorgung noch weiter fahren müssten. Und das in einem Zeitraum, in dem die Preise in Folge einer neuen Gebührenordnung weiter gestiegen sind. Ohne diese Novellierung der Gebührenordnung hätten viele Ärzte den regulären Praxisbetrieb nur mit größten Schwierigkeiten aufrechterhalten können oder im ungünstigsten Fall sogar einstellen müssen, schreibt die DEUTSCHE Familienversicherung.

Man könnte also meinen, dass die höheren Preise somit zumindest zum Erhalt einer sicheren medizinischen Versorgung beitragen. Dies ist aber offensichtlich nicht der Fall. Zukünftig wird der Weg in eine Tierklinik bei einem Notfall in der Nacht für uns also noch weiter. Abgesehen davon, dass die Fahrzeit über Leben und Tod entscheiden kann, sind Tierkliniken ohne eigenes Fahrzeug für viele Menschen selbst in größeren Städten nicht erreichbar.

Da grenzt es schon an Hohn, wenn Forscher und Politiker von 15-Minuten-Städten fabulieren. Dabei handelt es sich um Städte, in denen angeblich alle wichtigen Einrichtungen in 15 Minuten zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreicht werden können. Dadurch soll es möglich sein, auf eigene Fahrzeuge zu verzichten.
Es mag sein, dass der nächste Discounter oder eine Apotheke in einer Großstadt einer solchen Entfernung liegt. Ob der Arbeitsplatz auch in 15 Minuten erreichbar ist, ist hingegen fraglich. Und wie sieht es mit dem nächsten Baumarkt aus? Ist dieser auch auch von jedem Wohnhaus aus in 15 Minuten zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar? Und wenn ja, wie transportiert man dann größere Mengen an sperrigem Baumaterial und schweren Werkzeugen? Mit dem Lastenrad oder im Bus?

Spätestens aber bei den Tierkliniken wird eine Versorgungsdichte wohl kaum ausreichend sein um auch um drei Uhr morgens mit einem verletzten Tier zu Fuß in 15 Minuten eine Tierklinik mit Notdienst erreichen zu können.

In der Theorie mag die Vorstellung von 15-Minuten-Friede-Freude-Eierkuchen-Städte ohne private Fahrzeuge funktionieren. In der Theorie geht die Entwicklung für viele Menschen in Deutschland aber Richtung einer wachsenden Notwendigkeit, individuell mobil zu sein weil die Infrastruktur trotz steigender Kosten immer schlechter wird.
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