Berichte

Rote Roben geben grünes Licht

Diplomatisches Vorgehen heißt, den Kuchen so zu teilen, dass alle glauben, das größte Stück bekommen zu haben. Ein solch diplomatisches Vorgehen haben die Bundesverfassungsrichter in ihren roten Roben an den Tag gelegt, als sie für den Beitritt Deutschlands zum Euro-Rettungsschirm, der auch als Konkursverschleppungs-Maßnahme bezeichnet werden kann, jüngst grünes Licht gaben, aber diese Zustimmung an bestimmte Auflagen knüpften. So muss der Bundestag bei den Rettungsmaßnhamen informiert werden und die bisherige Obergrenze für Deutschland von 190 Milliarden Euro darf nur mit der Zustimmung des Bundestages erhöht werden. Nach diesem Urteil freuen sich nach (verallgemeinerter) Aussage eines Artikels bei Focus Online sowohl die Befürworter als auch die Gegner des Europäischen Stabilitäts Mechnismus (ESM).[1] Die Befürworter freuen sich, dass der neue Umverteilungsmechanismus nun endlich in Kraft treten kann und die Gegner freuen sich über eine vermeintliche Kontrolle.

In den Verträgen zum ESM (Europäischer Stabilitätsmechnaismus) steht zu dieser Thematik:[2]

Die ESM-Mitglieder verpflichten sich unwiderruflich und uneingeschränkt, ihren Beitrag zum genehmigten Stammkapital gemäß ihrem Beitragsschlüssel in Anhang I zu leisten. Sie kommen sämtlichen Kapitalabrufen gemäß den Bedingungen dieses Vertrages fristgerecht nach.

Die Mitgliedsländer müssen grundsätzlich jeweilige das Stammkapital bereitstellen. Das sind für Deutschland 190 Milliarden Euro. Weiter heißt es:

Die ESM-Mitglieder verpflichten sich unwiderruflich und uneingeschränkt, Kapital, das der Geschäftsführende Direktor gemäß diesem Absatz von ihnen abruft, innerhalb von sieben Tagen ab Erhalt der Aufforderung einzuzahlen.

Das Geld muss also innerhalb von sieben Tagen nach Erhalt der Forderung eingezahlt sein.
Und jetzt kommt ein wichtiger Abschnitt: Der gewiss nicht demokratisch legitimierte Gouverneursrat kann das bisherige Stammkapital bei Bedarf anpassen und somit beispielsweise erhöhen:

Der Gouverneursrat überprüft das maximale Darlehensvolumen und die Angemessenheit des genehmigten Stammkapitals des ESM regelmäßig, mindestens jedoch alle fünf Jahre. Er kann beschließen, das genehmigte Stammkapital zu verändern und Artikel 8 und Anhang II entsprechend zu ändern. Dieser Beschluss tritt in Kraft, nachdem die ESM-Mitglieder dem Verwahrer den Abschluss ihrer jeweiligen nationalen Verfahren notifiziert haben. Die neuen Anteile werden den ESM-Mitgliedern nach dem in Artikel 11 und Anhang I vorgesehenen Beitragsschlüssel zugeteilt.

Wenn die Verantwortlichen der Mitgliedsländer dann die jeweiligen nationalen Verfahren (was auch immer man darunter verstehen muss) abgeschlossen haben, muss dies dem ESM (beamtendeutsch: Verwahrer = der, der das Geld aufbewahrt) gemeldet (beamtendeutsch: notifiziert) werden. Anschließend tritt die Änderung in Kraft.
Nach dem Beschluss des Verfassungsgerichts muss das Parlament der Änderung zustimmen. Wobei im Vertrag nur von einem ominösen Abschluss von irgendwelchen nationalen Verfahren die Rede ist (wie auch immer das ausgehen mag) und nicht von einem Verfahren, das mit einer Zustimmung endet. Aber selbst wenn man tatsächlich aus den schwammigen aneinandergereihten Beamtendeutsch-Worten herauslesen kann, dass der Abschnitt “dem Verwahrer den Abschluss ihrer jeweiligen nationalen Verfahren notifiziert” gleichbedeutend mit “Zustimmung” ist, haben wir es nur mit einer Alibi-Einflussmöglichkeit zu tun. Hier müsste das Parlament dann zwar tatsächlich zustimmen, damit die Erhöhung in Kraft treten kann, aber die Menschen, die im Parlament sitzen haben immer wieder bewiesen, dass sie von den Dingen, über die sie abstimmen wenig Ahnung haben und oftmals nicht einmal motiviert sind, an ihrem Arbeitsplatz zu erscheinen. Man kann also davon ausgehen, dass jede Erhöhung durchgewunken wird.
Durch das Urteil hat sich also nichts geändert und das zinsbasierte Schneeball-Geldsystem, das wenige immer reicher und viele arm macht, kann noch eine Weile weiter betrieben werden. Der Zusammenbruch wurde erneut verschoben. Doch wie lange mag das noch klappen?


Literaturverzeichnis:
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