Berichte

Ein großer Schritt für die Elite … und ein kleiner Schritt für die Menschheit

Haben Sie gemerkt, was heute passiert ist? Etwas von großer Bedeutung, das aber nur wenig Aufmerksamkeit durch die Medien erfährt. Und wenn die Medien darüber berichten, dann eher in Form einer Werbekampagne anstelle seriöser Informationen. Ganz vorne mit dabei sind – wie sollte es auch anders sein – die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Auch sie rühren gewaltig die Werbetrommel, anstatt auf die Gefahren der neuen Situation hinzuweisen, die jeden einzelnen betreffen.
Heute, zum 1. Dezember 2009 ist der Vertrag von Lissabon, auch EU-Reformvertrag genannt, in Kraft getreten. Nachdem der EU-Verfassungsvertrag im Jahr 2005 durch die französische und niederländische Bevölkerung abgelehnt wurde, benannte man den Vertrag einfach um und änderte ihn leicht ab. Ein Vorgehen, das zwar nicht rechtmäßig ist, aber der EU-Vertrag ist im Gesamten alles andere als rechtmäßig. Auch die neue Form des Vertrages lässt einen Mangel an Demokratie erkennen, dafür wird ein Zwang zur Militarisierung geschaffen. Gebessert hat sich auch nichts an der mangelnden sozialen Ausrichtung. Der Vertrag dient in erster Linie dazu, die finanziellen und wirtschaftlichen Interessen großer Konzerne zu befriedigen – zu Lasten der Bevölkerung. Es war also zu erwarten, dass auch die neue Form des Vertrages von der Bevölkerung abgelehnt wird. Der Vertrag kann jedoch nur in Kraft treten, wenn seitens ALLER Mitgliedsländer für den Vertrag gestimmt wird. In den meisten Ländern (wie auch in Deutschland) hat die Bevölkerung kein Mitspracherecht. Hier entscheiden die amtierenden Politiker alleine. Die Politiker, die über den Vertrag abstimmten, hatten ihn vermutlich nicht einmal gelesen (die Endgültige Fassung stand ihnen nicht zur Verfügung). Das sie den Vertrag verstanden haben, kann kaum angenommen werden. Und dass sie auch die Geschichte der europäischen Integration oder gar die Rechtssprechungen kannten, ist noch unwahrscheinlicher. Dennoch stimmten sie mehrheitlich für den Vertrag. In ganz wenigen Ländern kann jedoch die Bevölkerung mitbestimmen. Die Bevölkerung wird über den Inhalt des Vertrages zwar ebenfalls kaum informiert sein, allerdings sind sich viele Menschen der Gefahr bewusst, die durch den Vertrag ausgeht. Das ist den wenigen Menschen zu verdanken, die sich ausgiebig mit den Texten befasst haben, wie etwa Karl Albrecht Schachtschneider. Naheliegenderweise wird die Bevölkerung einen Vertrag nicht absegnen, der völlig unverständlich ist und nichts gutes verheißt. Dies wiederum stellt eine Gefahr für den Ratifizierungsprozess dar. Bei der neuen Entscheidung durfte die niederländische und auch die französische Bevölkerung vorsorglich nicht mehr abstimmten, so dass auch die Hürde gebannt ist. Bleiben noch die Iren. Ihnen konnte das Mitspracherecht nicht entzogen werden. So stimmten die Iren also ab und stimmten prompt gegen den EU-Reformvertrag. Damit sollte also auch nie neue Form des Vertrages der Vergangenheit angehören.
Doch dem war nicht so. Die Iren mussten erneut abstimmen. Diesmal wurde die Bevölkerung jedoch angemessen unter Druck gesetzt und so beugten sie sich der Gewalt und stimmten für den Vertrag. Nachdem nun auch der tschechische Präsident Vaclav Klaus zum einknicken gebracht wurde, stand dem Inkrafttreten des Vertrages am heutigen Tage nichts mehr im Weg.

Nun ist also die EU-Verfassung, die auch für Deutschland gilt, mit allen Mitteln vorbei an jeglicher Demokratie durchgedrückt worden. Was bedeutet das für das Grundgesetz. In Artikel 146 des Grundgesetzes steht:

Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.

Bei der neuen Version des Vertrages wird darauf geachtet, das Wort “Verfassung” zu vermeiden und “von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen” wurde der Vertrag auch nicht. Also bleibt das Grundgesetz weiterhin in Kraft.
Geändert hat sich dennoch etwas. Neben den deutschen Gesetzen gelten aufgrund des Herkunftslandprinzips 27 Rechtsordnungen. Wer soll da noch wissen, was er darf und was nicht? Ein polnischer Unternehmer darf nun in Deutschland ukrainische Arbeiter beschäftigen und sie bezahlen, wie in Polen. Lebensmittel aus dem Ausland, die in Deutschland verkauft werden, müssen nicht mehr die in Deutschland geltenden Bestimmungen einhalten, sonder die mitunter für den Verbraucher wesentlich schlechteren Bestimmungen, beispielsweise was Pestizidgrenzen angeht, aus dem Herkunftsland.

Der Vertrag von Lissabon ist komplex und dient in erster Linie den Interessen der Konzerne. Er beruht auf mehreren Verträgen, unter anderem dem Vertrag über die Europäische Union (Vertrag von Maastricht, EUV) und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Vertrag von Rom, EGV), welcher nun in „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ (AEUV) umbenannt wird. Neben den beiden Hauptverträgen sind noch weitere Dokumente, auf die der EU-Vertrag Bezug nimmt, Bestandteil des EU-Primärrechts. Dabei handelt es sich um 37 Protokolle und 2 Anhänge (vgl. Art. 51 EUV) sowie um die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (vgl. Art. 6 Abs. 1 EUV). Außerdem soll die EU laut Art. 6 Abs. 2 EUV der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK) beitreten.
Keine eigene Rechtskraft oder bindende Wirkung besitzen die 65 Erklärungen und die Erläuterungen zur Charta der Grundrechte.[1]

Der Vertrag ist unverständlich und alles andere als demokratisch. Das hält die Öffentlich-Rechtlichen nicht davon ab, bei der Bevölkerung für den Vertrag zu werden:

Der Lissaboner EU-Reformvertrag ist heute in Kraft getreten – und vor allem im Europäischen Parlament werden das viele feiern. Für die Abgeordneten bedeutet der Vertrag einen massiven Machtzuwachs.[2]

Quelle: ZDF

Der Artikel suggeriert, dass die Bevölkerung durch den Vertrag mehr Einfluss erhält und die Demokratie gestärkt wird. Karl Albrecht Schachtschneider wies dies jedoch schon vor einiger Zeit zurück:

Dieses Dauergerede der Politiker, dass ja die Demokratie gestärkt wird mit diesem Vertrag von Lissabon ist ja nun vom Bundesverfassungsgericht widerlegt. Die Stärkung des Parlaments bedeutet nichts, garnichts. Jedenfalls nicht ein Mehr an Demokratie.

Karl Albrecht Schachtschneider, deutscher Staatsrechtslehrer




Literaturverzeichnis:
[1]
Vertrag von Lissabon; http://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Lissabon; 01.12.2009
[2]
Mehr als doppelt so viel Macht; Wolfgang Landmesser; http://www.tagesschau.de/ausland/euparlamentlissabon100.html; 01.12.2009
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