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Das Schicksal einer Buchhändlerin

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Vor einiger Zeit gab es hier keinen Buchhändler. Irgendwann hat dann eine Frau im nahegelegenen kleinen Einkaufzentrum mit einem Supermarkt und ein paar kleineren Geschäften eine Buchhandlung eröffnet, in dem sie Bücher und kleinere Geschenkartikel verkaufte. Recht bald musste sie wieder schließen, da der ausländische Investor die Miete erhöhte. Zudem eröffnete ein neuer 1-Euro-Billigladen einer großen Kette, so dass auch die Einnahmen durch die Geschenkartikel einbrachen. Die Buchhändlerin hat dann einen Raum in der Stadtmitte angemietet, wo die Miete erheblich günstiger war.
Als ich heute verschiedene Bücher bestellen wollte, sagte sie nur traurig, dass sie keine Bestellungen mehr annimmt. In einem Monat wird sie auch hier schließen müssen. Die Miete beträgt zwar für das neue Geschäft nur noch ein Viertel der Miete im Einkaufszentrum, dafür kommt kaum noch Kundschaft. Die Parkplatzsituation ist am neuen Standort schlechter. Mit dem kleinen Bücherladen hatte sie bislang nicht nur kein Einkommen, sondern musste jeden Monat auch noch aus eigener Tasche dazubezahlen. Es ist nachvollziehbar, dass sie in Anbetracht dieser überaus frustrierenden Zustände und Zukunftsaussichten traurig, aber auch erleichtert ist. Erleichtert darüber, dass dieses Verlustgeschäft endlich ein Ende findet.

Die alte Ladenfläche im Einkaufszentrum ist bislang trotz sehr guter Lage von niemandem gemietet worden. Vermutlich kann sie kein kleiner Unternehmer die hohen Kosten leisten und der Investor ist der Meinung, dass er den Laden lieber leer stehen lässt, als die Miete zu reduzieren.
Auch in dieser angeblich so modernen und fortschrittlichen Welt zählt nicht, was ein Mensch (für andere) leistet, sondern was er hat. Wer viel Geld und Immobilien sein eigene nennt, kann kostbare Fläche reservieren, ohne sie zum Wohle anderer zu nutzen. Die Buchhändlerin ist jeden Morgen früh aufgestanden, hat viele Stunden gearbeitet und dabei eine hilfreiche Dienstleistung erbracht. Der Investor wird vermutlich sehr wenig für andere Menschen arbeiten. Er hat einfach materielle Werte. Diese nutzt er aber nicht um eine sinnvolle Dienstleistung erbringen zu können. Er verhindert sogar noch, dass andere diese Immobilie zum Wohle der Allgemeinheit nutzen könnten. So werden wertvolle Ressourcen verschwendet.
Dieses Geldsystem ist so abartig, dass es sogar rentabler ist, Immobilien in bester Lage ungenutzt stehen zu lassen, als eine angemessene Miete zu erheben. Dabei heißt es doch “Eigentum verpflichtet”. Nur wen verpflichtet es und zu was verpflichtet es? Offensichtlich verpflichtet Eigentum nicht jeden und auch nicht zum Gemeinwohl.
Es zählt nicht das, was man für andere leistet. Es zählt das, was man hat, um andere zu erpressen. Und das politische und gesellschaftliche Gefüge gestattet ein solch egoistisches Vorgehen. Wie weit kann die “moderne” Gesellschaft noch sinken?
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