Berichte

COVID-19-Antikörpertest im Rahmen von Impfstoffstudien

Es stellt sich die Frage, ob man nicht einfach mittels eines Antikörpertests messen, wie stark der Immunschutz gegen Corona ist. Bislang scheint Einigkeit darüber zu bestehen, dass solche Messungen aus unterschiedlichen Gründen keine zuverlässigen Ergebnisse liefern.

In einem Beitrag “Kann ein Antikörpertest messen, wie stark der Immunschutz gegen Corona ist?” des Stern sind folgende Aussagen zu lesen:

“Wir wissen noch nicht genau, was wir messen müssen, damit wir wirklich festzustellen können, ob jemand immun ist oder nicht”, erklärte Immunologe Carsten Watzl gegenüber der “Deutschen Welle” (DW). Es sei zwar wahrscheinlich, dass die neutralisierenden Antikörper eine entscheidende Rolle spielen, “aber wie hoch die Anzahl dieser Antikörper sein muss, ist eben noch unklar”.

Zudem wurden noch keine klaren Grenzwerte für Antikörper gegen Sars-CoV-2 definiert. Das heißt, dass das Ergebnis eines Tests nicht eingeordnet werden kann. Carsten Watzl ist der Ansicht, dass viele Antikörper besser helfen als wenige. Wo der Grenzwert für einen Schutz jedoch liegt, ist aktuell noch nicht sicher.

Georg Behrens, Facharzt für Innere Medizin und Immunologie an der Medizinischen Hochschule Hannover erklärt ebenfalls, dass die Werte schwer zu interpretieren sind.

Ein Antikörperspiegel, der den einen ausreichend schütze, sei unzureichend für einen anderen. Dazu komme, dass die Immunantworten sehr unterschiedlich ausfielen, manche ohnehin nur sehr wenige Antikörper entwickelten.
Daher könnte ein solcher Test zwar eine Reaktion des Körpers auf eine Impfung nachweisen bei Menschen, die noch nicht mit dem Virus infiziert waren. “Um die Stärke oder Dauer des Impfschutzes nachzuweisen, eignen sich solche Tests aber nicht”, so Behrens.

Ähnliches ist auch auf infektionsschutz.de unter der Frage “Weshalb reicht ein positiver Antikörper-Test nicht als Nachweis für eine durchgemachte COVID-19-Erkrankung aus?” zu lesen.

Zudem ist noch unbekannt, wie viele Antikörper vorhanden sein müssen, um nach einer überstandenen Erkrankung von einem sicheren Schutz ausgehen zu können. Außerdem ist die Qualität der auf dem Markt befindlichen Tests für den Nachweis von SARS-CoV-2-Antikörpern sehr unterschiedlich. Es gibt Unterschiede in der Spezifität der Tests: Das bedeutet, je nachdem, welchen Test man verwendet, ist das Ergebnis unterschiedlich zuverlässig.

Unter dem Titel “Die Impfung für Kinder rückt näher” schreibt die Süddeutsche nun, dass das Unternehmen Biontech meldet, der Impfstoff sei wirksam und sicher bei Kindern unter zwölf Jahren. Gesundheitsminister Spahn rechnet nun mit einer Zulassung im ersten Quartal 2022.

Bei Biontech ist zu der entsprechenden Studie folgende Pressemitteilung zu lesen:

Die zusammengefassten Ergebnisse aus der Phase-2/3-Studie, die Kinder im Alter vom 6. Lebensmonat bis 11 Jahren rekrutiert, beziehen sich auf 2.268 Teilnehmer im Alter von 5 bis 11 Jahren, die zwei Impfstoffdosen mit jeweils 10 µg erhalten haben. Der gemittelte neutralisierende SARS-CoV-2– Antikörpertiter (geometric mean titer, “GMT”) lag bei 1.197,6 (95 % Konfidenzintervall [CI, 1106,1, 1296,6]), und zeigt einen Monat nach der zweiten Dosis eine starke Immunantwort bei Kindern dieser Kohorte. Dieser Wert ist vergleichbar (keine Unterlegenheit) mit dem GMT bei Teilnehmern im Alter von 16 bis 25 Jahren, der bei 1146,5 (95% CI: 1045.5, 1257.2) lag.

Quelle: Biontech: Pfizer und BioNTech geben positive Ergebnisse aus Zulassungsstudie für COVID-19-Impfstoff bei Kindern im Alter von 5 bis 11 Jahren bekannt

Haben wir nicht bisher gelernt, dass ein gemessener Antikörper-Titer keine Aussagen ermöglicht, ob ein Schutz vor einer COVID-19-Infektion besteht? Ja, haben wir! In der Studie wird eine “starke Immunantwort” jedoch ungeachtet dessen dennoch einfach als Beweis für die Wirksamkeit des Medikaments interpretiert, ohne dass man bislang weiß, wie stark die Antwort für einen Schutz überhaupt sein muss.

Zudem handelt es sich offensichtlich um eine sogenannte teleskopierte Studie. Studien werden üblicherweise in mehrere Phasen aufgeteilt. In jeder Phase wird mit zunehmender Erkenntnis über die Sicherheit der Kreis der Probanden vergrößert. Gravierende Risiken können so gegebenenfalls bereits in einer frühen Phase mit wenigen Teilnehmern entdeckt werden. Dadurch kann man eine Studie im Zweifelsfall abbrechen, bevor viele Versuchstiere oder Versuchsmenschen geschädigt werden. Wenn es schnell gehen muss, ignoriert man diese seit Jahrzehnten etablierten Standards und führt mehrere Phasen gleichzeitig durch. Das ist dann ein wenig so, als würde man mit einem vollbesetzten Flugzeug die Sicherheitssysteme abschalten und im Blindflug auf ein unbekanntes Ziel zufliegen. Es kann gutgehen. Es kann aber auch schlecht ausgehen und dann sind viele Teilnehmer betroffen.

Im EU Clinical Trials Register ist beispielsweise auch eine Studie mit drei Phasen zur Findung einer Dosis für zwei SARS-COV-2-RNA-Impf­stoff­kan­di­da­ten BNT162b2 gelistet. Nach Phase 1 folgt eine kombinierte Phase 2/3.

Zwischenergebnisse und Endergebnisse sind leider in der Datenbank nicht verlinkt. Diese wichtigen Daten scheinen weniger gut gepflegt zu werden. “Trial results: (No results available)”.

Auf der Website des Herstellers kann die Studie jedoch heruntergeladen werden:

A PHASE 1/2/3, PLACEBO-CONTROLLED, RANDOMIZED, OBSERVER-BLIND, DOSE-FINDING STUDY TO EVALUATE THE SAFETY, TOLERABILITY, IMMUNOGENICITY, AND EFFICACY OF SARS-COV-2 RNA VACCINE CANDIDATES AGAINST COVID-19 IN HEALTHY INDIVIDUALS

Dort ist zu lesen:

The study consists of 2 parts: Phase 1: to identify preferred vaccine candidate(s) and dose level(s); Phase 2/3: an expanded cohort and efficacy part.

Die ersten 360 Teilnehmer von Phase 2/3 werden genauer beobachtet, um ein erstes Sicherheitsprofil zu definieren. Ein vollständiges Sicherheitsprofil kann sich erst nach der Arzneimittelzulassung bei breiter Anwendung und sorgfältiger Anwendungsüberwachung durch die Pharmakovigilanz ergeben.

The first 360 participants enrolled (180 to active vaccine and 180 to placebo, stratified equally between 18 to 55 years and >55 to 85 years) will comprise the “Phase 2” portion. Safety data through 7 days after Dose 2 and immunogenicity data through 1 month after Dose 2 from these 360 participants will be analyzed by the unblinded statistical team, reviewed by the DMC, and submitted to appropriate regulatory authorities for review. Enrollment may continue during this period and these participants would be included in the efficacy evaluation in the “Phase 3” portion of the study.

Die Sicherheit wird während einer Woche nach der zweiten Impfung analysiert. Daten zur Immunantwort werden nach einem Monat nach der zweiten Impfung analysiert. Gesundheitliche Folgen, die vielleicht erst nach zwei oder drei Monaten oder gar noch später auftreten, können demnach nicht berücksichtigt werden, um die Studie im Falle massiver unerwünschter Wirkungen vor umfassenderen Tests mit mehr Teilnehmern abzubrechen. Solche Probleme fallen dann vielleicht erst während der weiteren Untersuchungen im Rahmen der nächsten Phase auf.


Weitere Informationen:

Konfidenzintervall

Pha­se-II/III-Stu­die des RNA-Impf­stoff­kan­di­da­ten BNT162b2 des Un­ter­neh­mens Bi­oN­Tech in Deutsch­land ge­neh­migt

Ihre Fragen: Sollte man vor der Booster-Impfung einen Antikörper-Test machen lassen?
Die meisten Expertinnen und Experten sind sich da einig: Eine Antikörper-Bestimmung ist bei gesunden Menschen nicht nötig. Auch die Stiko rät davon ab. Der Hauptgrund: Bisher ist gar nicht wissenschaftlich erwiesen, mit welcher Anzahl an Antikörpern man sicher vor Corona geschützt wäre.

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