Berichte

Analysen zum Leistungsgeschehen der Krankenhäuser und zur Ausgleichspauschale in der Corona-Krise

Seit Anfang der Corona-Pandemie warnen uns Nachrichten, vor dem drohenden Kollaps der Krankenhäuser.

„Wir sind in dieser Ausnahmesituation am Anschlag“

Immer mehr Intensivstationen überlastet

Die drohende Überlastung der Krankenhäuser

Jedes zweite Krankenhaus erwartet Überlastung

Sorge vor überlasteten Intensivstationen in Baden-Württemberg

Corona: Klinikum Fürth schlägt Alarm und appelliert an Merkel

Mitunter wird auch das Szenario einer Triage dargestellt. Dadurch wird die Angst erzeugt, dass bald Menschen vor den Krankenhäuser sterben werden, weil nicht mehr alle Patienten behandelt werden können. Im Falle einer Triage wird dann entschieden, wen man versucht zu retten und wer nicht mehr behandelt wird und sterben muss.

Warnung vor drohender Triage

Dieses Szenario wird auch im veröffentlichte Papier “Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen” dargestellt. Das Papier wurde am 28.04.2020 veröffentlicht. Es wurde unter Mitwirkung des BMI (Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat) im März 2020 durch externe Wissenschaftler erarbeitet. An der Erstellung des Papiers wirkten Experten aus den einschlägigen Bereichen (unter anderem Gesundheitswesen, Krisenmanagement, Verwaltung und Wirtschaft) mit. Dort ist zu lesen …

Hinsichtlich der Ausbreitungsgeschwindigkeit scheint sich in Deutschland derzeit die Zahl der gemeldeten infizierten Fälle etwa alle drei Tage zu verdoppeln. Erste Maßnahmen zur Reduktion physischer Kontakte, wie zum Beispiel das Verbot von großen Veranstaltungen und die Minimierung der Reisetä-tigkeit, sollten dazu führen, die Zeitspanne bis zur Verdopplung der Zahl Infizierter zu verlängern. Im Worst Case Szenario gehen wir davon aus, dass sich die Verdopplungszeit bis zum 14. April von drei auf dann sechs Tage erhöht – und bis Ende April auf neun Tage. Unter diesen Worst Case Annahmen wird die Zahl der Infizierten trotzdem rasant zunehmen und schon relativ bald 70% der Bevölkerung ausmachen. Es ist daher mit einer massiven Überlastung des Gesundheitssystems zu rechnen. Über 80% der intensivpflichtigen Patienten müssten von den Krankenhäusern mangels Ka-pazitäten abgewiesen werden. Dabei ist berücksichtigt, dass in der nächsten Zeit zusätzliche Intensiv-betten und Beatmungsgeräte zur Verfügung gestellt werden. Die Phase der Rationierung könnte zwei Monate andauern. In diesem Szenario wäre mit mehr als einer Million Todesfällen zu rechnen.

Quelle: Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat: Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen

Das Bundesministeriums für Gesundheit hat zwischenzeitlich eine Studie beim Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse für den Zeitraum Januar bis Dezember 2020 sehr aufschlussreich sind.

Analysen zum Leistungsgeschehen der Krankenhäuser und zur Ausgleichspauschale in der Corona-Krise

Die Studie ist sehr detailliert, weshalb es sich empfiehlt, diese selbst zu lesen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass 2020 im Vergleich zu 2019 die Fallzahl der abgerechneten Behandlungsfälle um 13% zurückgegangen ist. Und auch wenn die mittlere Verweildauer leicht gestiegen ist, so sind die Verweildauertage aufgrund des Rückgangs der Fallzahlen ebenfalls zurückgegangen, und zwar um 12%. Durch den Rückgang der Verweildauertage ging auch die Bettenauslastung deutlich zurück. So sank die Bettenauslastung in den kleinen Krankenhäusern um 9,7%-Punkte auf nur noch 62,1%, in den mittleren um 8,3%-Punkte auf 66,3% und in den größeren um „nur“ 7,0%-Punkte auf 71,2%. Die Bettenauslastung im PEPP-Bereich ging sehr merklich um 11,9%-Punkte auf 81,5% zurück.
Auf Intensivstationen war ein Rückgang der Bettenauslastung im ersten Jahr der Corona-Krise um lediglich 1% zu verzeichnen. interessanterweise wurde die Kapazität in kleineren Krankenhäusern während der Pandemie mangels nachfrage verringert, in größeren Krankenhäusern hingegen ausgebaut.
Interessant ist auch Schaubild 1 auf Seite 10, das die Bettenauslastung für die DRG-Krankenhäuser (DRG, Diagnosis Related Groups), ihren Intensivstationen und für die PEPP-Krankenhäuser (PEPP, Entgeltsystem für den Bereich der Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik) für das Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 graphisch darstellt. Die demnach für COVID-19-Patienten genutzten Betten belaufen sich lediglich auf 1,9% bei den DRG-Häusern insgesamt und 3,4% auf Intensivstationen.

Insgesamt wurden im Jahr 2020 172.248 Behandlungsfälle mit der Nebendiagnose U07.1 (Covid-19, Virus nachgewiesen) behandelt. Nebendiagnosen sind Begleiterkrankungen, die entweder gleichzeitig mit der Haupterkrankung bestehen oder sich im Verlauf der Hauptdiagnose entwickeln. Es wird im Bericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um Fälle, nicht Personen handelt, da verlegte Patienten entsprechend mehrfach zählen. Es muss zudem beachtet werden, dass die Nebendiagnose U07.1 gemäß der ICD-10-GM bedeutet, dass es sich um labortechnisch nachgewiesene Fälle handelt. Der Schweregrad des klinischen Befundes oder der Symptome wird dabei nicht berücksichtigt. Es dürfte sich also um eine gemischte Gruppe handeln, die sowohl Patienten mit keinen oder milden Symptomen als auch solche mit schwerem Verlauf umfasst. Nicht berücksichtigt sind hier Fälle mit der Nebendiagnose U07.2, die laut ICD-10-GM nur genutzt werden sollte, wenn COVID-19 klinisch-epidemiologisch bestätigt ist und das Virus nicht durch Labortest nachgewiesen wurde oder kein Labortest zur Verfügung steht. Berücksichtigt man auch diese Gruppe, die 289.323 Fälle umfasst, erhöhen sich die Zahlen entsprechend. Außerdem wird in der Studie COVID-19 immer nur als Nebendiagnose genannt, nicht als Hauptdiagnose. Stattdessen wird als Hauptdiagnose beispielsweise Lungenentzündung angegeben und als Nebendiagnose kann COVID-19 diagnostiziert sein oder auch nicht.

Auf einen dramatischen Anstieg an Krankenhausaufenthalten deutet die Studie nicht hin. Ganz im Gegenteil wurden insgesamt laut Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) bis zum 31. Dezember 2020 rund 10,2 Milliarden Euro für die Einnahmeausfälle der Krankenhäuser in Form von Ausgleichszahlungen ausgezahlt. Die Krankenhäuser haben also Geld erhalten, weil sie mangels Auslastung während der Pandemie weniger Einnahmen hatten. Von einer Triage ist man dementsprechend zumindest bislang noch weit entfernt, sofern die Ergebnisse des Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung den Tatsachen entsprechen und ich sie korrekt interpretiert habe.


Weiterführende Informationen:

Wie sind im Zusammenhang mit COVID-19 die Zusatzschlüsselnummern U07.1! und U07.2! sowie U99.0! zu verwenden? (ICD-10-GM Nr. 1018)

Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) (SARS-CoV-2)
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