Berichte

50 Hertz

Der Strom kommt aus der Steckdose … und wie er da rein kommt, spielt keine Rolle. Wenn man auf den Lichtschalter drückt, wird es hell. Das war schon immer so und das wird auch immer so bleiben. Oder? Ist das wirklich so? Ist unsere Stromversorgung tatsächlich absolut sicher und zuverlässig? Oder könnte es doch auch im so fortschrittlichen Europa unvermittelt zu einem weiträumigen lange andauernden Stromausfall, einem Blackout, kommen? Auf den ersten Blick mag die Stromversorgung sicher sein, von kleineren kurzen lokalen Ausfällen einmal abgesehen. So wie aber auch ein Autofahrer keine Garantie dafür hat, bis an sein Lebensende unfallfrei weiterfahren zu können, wenn er bislang noch keinen Unfall hatte, so kann auch die Stromversorgung nach Jahrzehnten ohne größere Zwischenfälle unvermittelt einen Unfall mit Totalschaden erleiden.

Die Frequenz im europäischen Verbundnetz beträgt 50 Hertz. Bei dieser Frequenz wechselt die Spannung insgesamt 100 Mal in der Sekunde ihre Polarität. In diesem Video werden die Grundlagen hierzu sehr gut erklärt.
In Verbundnetzen müssen alle Stromerzeuger wie Synchrongeneratoren in Kraftwerken synchron, also starr mit der Netzfrequenz, laufen. Die Netzfrequenz fällt allerdings, wenn der Verbrauch höher als die Erzeugung ist. Umgekehrt steigt die Frequenz, wenn die Erzeugung über dem Verbrauch liegt. Einspeisung und Entnahme von elektrischer Energie seitens der Erzeuger und der Verbraucher müssen also zu jeder Zeit ausgeglichen sein.
Dabei würde eine Abweichung von lediglich zwei oder drei Hertz bereits zu massiven Problemen führen. Falls die Frequenz unter 47,5 Hertz sinkt, können an den Generatoren mechanische Resonanzschwingungen auftreten, die zu ihrer Zerstörung führen. Die Kraftwerke gehen deshalb bei Erreichen dieser Grenze automatisch vom Netz. Eine Unterdeckung im Stromnetz führt also zum Abfallen der Frequenz. Wenn ein kritischer Wert erreicht ist, werden sich weitere Kraftwerke zum Eigenschutz abschalten. Dies führt dann zu einer noch größeren Unterdeckung und das gesamte Netz wird auf Höchstspannungsebene binnen kurzer Zeit zusammenbrechen. Anschließend ist ein komplizierter Netzwiederaufbau notwendig, um die Stromversorgung wiederherzustellen.

Vielleicht kann man sich die Schwierigkeit, das Netz stabil zwischen 48 und 52 Hertz zu betreiben, am Beispiel einer Autofahrt vorstellen, bei der man jederzeit exakt 50 km/h schnell fahren muss. Man darf auch mal 49 oder 51 km/h fahren, aber niemals 48 oder gar nur 47 km/h. Die Geschwindigkeit muss man Tag und Nacht beibehalten. Jahrzehnte lang. Bei jedem Wetter. Unabhängig davon ob die Straße eben ist oder ob sie bergauf oder bergab führt. Die Geschwindigkeit muss auch gehalten werden, wenn es technische Probleme am Fahrzeug gibt. Die Geschwindigkeit muss man auch beibehalten, wenn ein Politiker auf dem Beifahrersitz mitfährt, der weder eine abgeschlossene Ausbildung noch irgendeine Berufserfahrung hat aber dennoch befugt ist, ständig die Regeln zu ändern, nach denen man das Fahrzeug zu fahren hat.
Es ist leichter, eine gleichmäßige Geschwindigkeit zu halten, wenn das Fahrzeug eine möglichst große Masse hat und damit sehr träge ist. Während ein Bobby-Car bereits an einem kleinen Hügel zum stehen kommt, wird ein schwerer LKW den Hügel einfach ohne nennenswerte Änderung der Geschwindigkeit überfahren. So ist es auch im Stromnetz. Schwere rotierende Massen, wie sie in Kern- und Kohlekraftwerken vorhanden sind, helfen, die Frequenz stabil zu halten. Windkraftanlagen und insbesondere auch Solaranlagen können hier keinen Beitrag leisten, sondern bringen sogar noch Schwankungen ins Netz. Alleine aus diesem Grund wird es kaum möglich sein, ein großes Stromnetz alleine durch solche Kraftwerke stabil zu betreiben. Es wird eine Mischung aus großen Kraftwerken für eine stabile Grundversorgung und die Vorgabe der Frequenz benötigt. Dann können auch Wind- und Solarkraftwerke hinzugenommen werden. Um deren Unzulänglichkeiten aber auszugleichen sind einerseits große Speicher und andererseits auch noch Kraftwerke notwendig, die schnell einspringen und auch schnell wieder abgeschaltet werden können. Gas- und Wasserkraftwerke erfüllen diesen Zweck. Die Politiker, die es sich auf dem Beifahrersitz und der Rückbank bequem gemacht haben, und weitgehend frei von Sachverstand die Regeln ändern, haben in den letzten Jahrzehnten aber dafür gesorgt, dass die Kraftwerke, welche einen stabilen Betrieb ermöglichen abgeschaltet werden, während immer mehr Kraftwerke installiert wurden, die nur “Flatterstrom” liefern und damit das Netz destabilisieren.
Nun wurden auch noch die Gaslieferungen aus Russland, welche für den Ausgleich der Lücken dringend notwendig sind, abgeschnitten. Derzeit mag es möglich sein, den Gasmangel durch den Kauf von teurem Flüssiggas zu kompensieren. Dies geht allerdings zu Lasten derer, die bislang das Flüssiggas bezogen und sich die durch die gestiegene Nachfrage ebenfalls gestiegenen Preise nicht mehr leisten können und jetzt leer ausgehen. Das interessiert die Politiker aber scheinbar nicht, die sonst von Deutschland aus ständig die ganze Welt retten wollen. In Deutschland mögen wir uns die gestiegenen Preise zumindest vorerst noch leisten können. Allerdings ist die Sicherheit trügerisch, denn viele Firmen können in Deutschland nicht mehr wirtschaftlich arbeiten, wenn die Kosten immer weiter steigen, aber die Kaufkraft der Menschen durch die hohen Belastungen abnimmt. hinzu kommt, dass eine gewisse Planbarkeit nicht mehr gegeben ist. Immer wieder ändern die Politiker die Spielregeln von einen Tag auf den anderen. Investitionen gleichen einem Glücksspiel mit völlig ungewissem Ausgang. Die Liste an Herausforderungen ist in diesen Tagen lang. Coronakrise, Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Energiekrise, Migrationskrise, Bildungskrise.
Die Wirtschaftskraft wird also auch in Deutschland abnehmen und damit auch die finanziellen Möglichkeiten, im globalen Wettstreit um Flüssiggas mitbieten zu können. Ohne Gas wird es aber noch schwerer, das bereits jetzt bis an die Grenzen herabgewirtschaftete Stromnetz jederzeit zuverlässig zu betreiben. In den Nachbarländern sieht die Situation auch nicht besser unbedingt aus. Von dort ist im Zeifelsfall auch keine Hilfe durch Stromlieferungen zu erwarten, wenn in Deutschland nicht genügend Strom produziert werden kann. Abgesehen davon würden die verfügbaren Leitungskapazitäten nicht unbedingt ausreichen, um fehlenden Strom aus anderen Ländern in ausreichender Menge nach Deutschland zu transportieren.

Die Entwicklung driftet also immer mehr in eine äußerst unschöner Richtung ab. Die Politiker leben in einem Traumschloss und blenden diese Zusammenhänge aber scheinbar seit vielen Jahren elegant aus. Sie basteln sich einfach eine bunte Fantasiewelt, die mit der Realität wenig zu tun hat.
Aber auch der größte Traumtänzer wird irgendwann in der harten Realität ankommen. Spätestens wenn es eines Tages nicht mehr gelingt, Stromerzeugung und Stromverbrauch in Übereinstimmung zu bringen und das Netz zusammenbricht. Auf eine solche Situation kann man sich kaum vorbereiten. Es wird zwar immer gesagt, dass die Menschen früher auch ohne Strom leben konnten und dass wir das demnach doch wohl auch können. Aber hierbei wird vergessen, dass die Voraussetzungen früher andere waren. Früher gab es sehr viel weniger Menschen in Deutschland. Diese haben zudem nicht zu großen Teilen in Ballungsbieten gelebt, sondern führten ein eher ländliches Leben. Das Essen wurde im Garten angebaut und für den Winter eingelegt. Heizen konnte man mit Holz aus dem Garten oder dem Weinberg, Kohle und später auch mit Öl. In einem Haus, in dem man früher viele Holzöfen hatte, darf man jedoch mittlerweile durch die extrem strengen Regeln und Vorschriften mit Mühe und Not bestenfalls einen einzigen modernen Kaminofen betreiben. Die Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchV) und viele weitere Verordnungen und Gesetze kennen keine Gnade.

Interessant ist auch die Lage in den Krankenhäusern. Aus Sorge vor einem möglichen Blackout rücken die Notstromaggregate ins Bewusstsein der Menschen. Die Sicherheit eines Krankenhauses im Falle eines Blackouts wird daran gemessen, wie lange der Kraftstoff in den Tanks hält, mit dem eine unabhängige Stromversorgung sichergestellt werden soll. Dabei wird aber vergessen, dass ein Krankenhaus keine einsame Insel der Glückseligkeit ist, sondern stark abhängig von einer funktionierenden Infrastruktur ist. Es mag überraschend klingen, aber ein Krankenhaus wird nicht nur mit Strom betrieben. Wasser, Medikamente, Verbandszeug, Ersatzteile, Wäsche, Essen und Trinken sind ebenfalls notwendig. Noch wichtiger als all dies ist aber eine funktionierende Internetverbindung, damit die Behandlungen mit den Krankenkassen abgerechnet werden können. Außerdem werden auch Mitarbeiter benötigt. Es ist aber fraglich, ob die Pflegekräfte bei völliger Dunkelheit noch zum Nachtdienst laufen, wenn ihr Tank im Auto leer ist. Zumal es in solchen Zeiten lebensgefährlich ist, überhaupt das Haus zu verlassen. Bei einem Unfall oder einem Überfall werden keine Rettungskräfte kommen und bereits kleine Verletzungen können tödlich enden. Und ob der Chefarzt noch konzentriert operieren kann, wenn er mit den Gedanken bei seinen pflegebedürftigen Eltern ist, die vielleicht hundert Kilometer entfernt in einem Pflegeheim sind und von denen er seit Tagen nichts mehr gehört hat, ist mehr als fraglich. Abgesehen davon klagen bereits in “normalen” Zeiten Krankenhäuser über Gewalt in Notaufnahmen. Im Falle eines länger andauernden Stromausfalls wird diese Gewalt möglicherweise völlig eskalieren.

Ein Blackout mag auf den ersten Blick wie ein etwas größerer Stromausfall erscheinen. Tatsächlich würde ein Blackout aber unser gesamtes Leben völlig auf den Kopf stellen. Bei einem Blackout wird es aufgrund seiner großflächigen Natur keine Hilfe von Außen geben. Alle bekannten Spielregeln werden innerhalb weniger Tage ihre Gültigkeit verlieren und die Behörden, die bereits jetzt in vielen Situationen hoffnungslos überfordert sind, wenn beispielsweise Kriminelle reihenweise Bankautomaten sprengen oder wehrlosen Opfern auf offener Straße einen Arm abhacken, werden im Falle eines Blackouts nicht einmal mehr das Chaos verwalten können.
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