Wir rasen nicht, wir fliegen nur tief
Unter jungen Fußballprofis kommt es leider immer wieder vor, dass sie sich teure Autos kaufen und dann mit hohen Geschwindigkeiten über die Straßen rasen (mitunter auch ohne Führerschein). Eine Ursache hierfür dürfte sein, dass diese jungen Männer in kurzer Zeit zu einer größeren menge Geld kommen und sich damit leicht schnelle Autos kaufen können, aber weder das nötige Wissen noch ausreichend Erfahrung besitzen, um die Situationen im Straßenverkehr richtig einzuschätzen.
An Wissen und Erfahrung mangelt es natürlich vielen Autofahrern, auch solchen, die nicht so reich sind, wie ein Fußballprofi. Und auch diese Menschen können sich Autos kaufen oder leihen, die hohe Geschwindigkeiten erreichen. Damit dennoch jeder am Straßenverkehr teilnehmen kann, stehen überall Schilder, die einen darauf hinweisen, welche Geschwindigkeit hier angebracht ist, welche Gefahren drohen und wie man sich in verschiedenen Situationen zu verhalten hat. Schilder und Fahrbahnmarkierungen geben den Autofahrern die nötigen Informationen, sicher ans Ziel zu kommen. Und weil es immer wieder Leute gibt, die meinen, dass Schilder nur Richtwerte darstellen, gibt es Strafen, wenn man dabei erwischt wird, die Regeln zu übertreten.
Nun haben junge Fußballprofis aber nicht nur genug Geld, sich teure und schnelle Autos zu kaufen, sondern sie haben auch genug Geld, die Strafen für Verkehrsverstöße locker zu bezahlen. Hier treffen zwei Probleme aufeinander. Junge Menschen, die von der Fahrphysik keine Ahnung haben, weil sie mehr damit beschäftigt sind, einem runden Ball hinterherzulaufen, als sich zu bilden, können den Sicherungsmechanismus durch die Verkehrsregeln einfach ignorieren, weil sie sich bei Verstößen problemlos mit dem vielen Geld, das sie dafür erhalten, einem Ball vor unzähligen Werbebanden im Fußballstadion hinterherzulaufen, freikaufen können. Diesen jungen Fußballern fehlt also die Fähigkeit, sich aufgrund von eigenem Wissen richtig zu verhalten und sie müssen auch keine Regeln und Zwänge von außen beachten. Sie können es sich einfach leisten, die Verkehrsregeln zu übertreten. Zumindest finanziell.
So dürfte es auch bei Junior Malanda vom VfL Wolfsburg und seinen Freunden gewesen sein. Über 21 mal wurde sein Fahrzeug in vergangenem halben Jahr geblitzt, davon zehn mal mit über 200 Kilometern pro Stunde. Natürlich kann man mal die Geschindigkeit übertreten, weil man ein Schild übersehen hat oder sich etwas zu lange ausrollen lässt, um Sprit zu sparen. Aber bei einer solchen Häufigkeit von dokumentierten Regelübertretungen (die Geschindigkeitsüberschreitungen, die nicht von der Polizei gemessen wurden, werden noch weitaus mehr sein), kann man durchaus von Vorsatz sprechen.
Gefahren ist nicht immer Junior Malanda, sondern oftmals seine Freunde, die scheinbar ebenfalls ein Problem mit den Verkehrsregeln hatten. Auch bei seiner letzten Fahrt ist er nicht selbst gefahren. Der 20 Jährige saß bei dem Unfall, der für ihn tödlich endete, unangeschnallt auf der Rückbank und war aus dem Fenster geschleudert worden als der gleichaltrige Anthony D’Alberto, der am Steuer saß mit überhöhter Geschwindigkeit von der Straße abgekommen ist.
Beim Fliegen sagt man, dass man versuchen muss, die Tüte für Erfahrungen schneller zu befüllen, als die Tüte für Glück geleert wird. Scheinbar haben die jungen Fußballer wenig unternommen, um ihre Tüte mit Erfahrungen zu füllen und dann war die Tüte mit Glück irgendwann leer bevor die Tüte mit Erfahrung erkennbar gefüllt war. Junior Malanda hatte Spaß und konnte sich immer freikaufen, wenn Regeln und Gesetze dem Spaß im Wege standen. Nun ist er tot. Man kann zwar leicht einen Strafzettel für einen Geschwindigkeitsüberschreitung bezahlen und dann noch schneller weiterfahren, aber die Physik, die bei hohen Geschwindigkeiten wirkt, die kann man nicht bestechen.
In einem Kommentar zum Artikel “Malanda: Unfallauto zehnmal mit über 200km/h geblitzt” bei der Münchner Abendzeitung fragt sich ein Leser warum ein VW Tuareg über 200 km/h schnell sein muss. “Diese Geschwindigkeit taugt vielleicht für den Nürburgring für trainierte Rennfahrer. Auf einer Autobahn mit Otto-Normalfahrer ist sie schlicht gemeingefährlich. Insofern trifft auch die Autobauer eine Mitschuld an derartigen Unfällen!”.
Das sehe ich auch so. Diese Geschwindigkeiten sind eigentlich viel zu hoch und nicht nur für die Fahrer und Beifahrer, sondern auch für andere Verkehrsteilnehmer überaus gefährlich. Entsprechend unverständlich ist mir die darauffolgende Antwort eines anderen Lesers: “Wenn Sie auf freier, relativ gerader Strecke, guter Sicht und trockener Straße 200km/h mit einem aktuellem, bzw. technisch einwandfreiem Fahrzeug nicht beherrschen, sollten Sie sich Gedanken über Ihre Fahreignung machen. Das Problem hier war, wie bei fast allen ‘Raserunfällen’ die den Umständen nicht angepaßte Geschwindigkeit.”
Auf den ersten Blick stimmt die Aussage. Hauptgrund für viele Unfälle ist eine unangepasste Geschwindigkeit und zu wenig Abstand. Wer im dichten Verkehr wie ein Irrer aufs Gaspedal tritt und anderen so dicht auffährt, dass man einen Bierdeckel zwischen den Stoßstangen einklemmen kann, ist auf jeden Fall unangepasst gefahren und braucht sich nicht wundern, wenn er einen Unfall verursacht. Schwieriger wird es, die Situation auf (vermeintlich) freier Strecke einzuschätzen. Wenn weit und breit keine anderer Verkehrsteilnehmer zu sehen ist, die Autobahn trocken und gerade ist, dann kann man mit einem technisch einwandfreiem Fahrzeug auch 200 km/h und mehr fahren, ohne dass dies ein Problem wäre. Könnte man meinen.
Wer aber kann sich sicher sein, dass sein Fahrzeug wirklich technisch einwandfrei ist? Kaum jemand, wird vor JEDER Fahrt sein Auto auf äußerliche Auffälligkeiten untersucht, wie es beispielsweise die Piloten von Flugzeugen machen. Und kaum jemand wird seinem Fahrzeug vergleichbare Überprüfungen, wie die A-, B-, C-, IL- und D-Checks bei Flugzeugen durchführen lassen. Manch einer fährt mit einem vier Jahre alten Auto herum, dass in der Zwischenzeit nur einmal von einem TÜV-Prüfer mehr oder weniger oberflächlich angeschaut wurde. Das Auto nach einer bestimmten Zeit oder Fahrleistung nahezu komplett zu zerlegen, zu überprüfen und wieder zusammenbauen, wird niemand machen, nur um eventuelle leichte Beschädigungen an innenliegenden Teilen zu finden. Nichteinmal die Daten, welche in Echtzeit über die ODB2-Schnittstelle ausgelesen und ausgewertet werden können, wird ein Fahrer während der Fahrt (oder sonstirgendwann) analysieren, um Fehler zu erkennen. Erst wenn eine Warnlampe angeht, wird das Auto (vielleicht) in eine Werkstatt gebracht.
Die Voraussetzung für schnelle Fahrten, ein technisch einwandfreies Fahrzeug, kann also im Alltag nicht sichergestellt sein und damit löst sich die Argumentation des Lesers schon mal in Wohlgefallen auf.
Und auch die Argumentation, dass man auf auf freier, relativ gerader Strecke bei guter Sicht und trockener Straße gefahrlos schnell fahren kann, ist gewagt. In Deutschland gibt es bei den Autobahnen beispielsweise nichteinmal durchgehend Wildzäune. Über einer eben noch freie Strecke kann also plötzlich ein Wildschein oder ein Reh laufen. Und auch verlorene Ladung, die nun auf der Straße liegt, ist eventuell trotz guter Sicht erst spät erkennbar. Bis man sich überlegt hat, ob man ausweichen oder doch besser drüberfahren soll (weil Lenkmanöver bei hoher Geschwindigkeit extrem gefährlich sind), ist man dem Hindernis bald sehr nahe gekommen. Zudem können Menschen auch zeitweise Unaufmerksam oder abgelenkt sein oder gesundheitliche Probleme bekommen.
Und was macht man bei einem unvorhergesehenen Ereignis? Ein von einer Brücke geworfener Stein kann wie aus dem Nichts auftauchen und die Scheibe durchschlagen. Mann muss schon hart im Nehmen sein um dann nicht vor Schreck das Lenkrad zu verreißen, was eine gefährliche Reaktion bei hohen Geschwindigkeiten ist.
Was ist, wenn ein Reifen platzt oder aufgrund eines eingefahrenen Nagels die Luft verliert? Wer kann von sich behaupten, dass er alle möglichen Situationen bereits trainiert hat und sofort weiß, wie er reagieren muss? Wer kann ein Auto sauber abfangen, wenn es bei hoher Geschwindigkeit unerwartet ins Schlingern kommt (weil die Luft aus einem Reifen entweicht)? Auch ein Fahrer, der von sich behauptet, sein Fahrzeug zu beherrschen und problemlos schnell fahren zu können, wird Probleme bekommen, wenn er mit unerwarteten Gegebenheiten konfrontiert wird. Klar, es ist einfach ein modernes Fahrzeug auf hohe Geschwindigkeiten zu bringen. Dazu bedarf es keiner besonderen Fähigkeiten. Geniale Ingenieure und Techniker machen es mit ihren technischen Meisterwerken auf Rädern möglich, dass jeder Vollhorst mit 250 km/h über die Straße brettern kann und glaubt, er wäre der König vom Asphalt. Dazu braucht man auch nicht wissen, welche Technik gerade welche sicherheitsrelevanten Aufgaben im Auto durchführt und welche Systeme unterstützend eingreifen und für ein angenehmes Fahrgefühl sorgen. Man braucht sich auch keine Gedanken darüber zu machen, welche Eigenschaften der verbaute Straßenbelag hat, wie alt und abgefahren er ist oder ob die Poren verschmutzt sind. Und man muss sich zum schnellen Fahren auch keine Gedanken darüber machen, ob die aktuell verwendeten Reifen bei der jetzigen Außentemperatur gut zum Straßenbelag unter dem Fahrzeug passen und ob die Reifentemperatur für optimalen Grip stimmt. Nein, über all das muss man sich keine Gedanken machen, wenn man schnell fahren möchte. Man tritt einfach aufs Gaspedal und die Technik erledigt den Rest. Blöd nur, dass auch das teuerste Auto kaum mehr Kontaktfläche zum Boden hat, als ein DIN-A4-Blatt groß ist. Ziemlich wenig, wenn man bedenkt, dass sämtliche Kräfte über diese winzige Fläche übertragen werden müssen.
Es mag leicht sein, auf gerader und trockener Straße schnell zu fahren. Aber auch dann kann ein unvorhergesehenes Ereignis eintreten, bei dem man plötzlich ungewohnt gefordert wird. Konnte man sich bislang immer auf die Technik verlassen, muss man nun selbst aktiv eingreifen und die Situation unter Kontrolle zu bringen. Dafür dürften die meisten Fahrer aber nicht trainiert sein. Im Alltag hat man üblicherweise keine Gelegenheit, den Umgang mit seltenen Extremsituationen zu erlernen, zumal die Fahrzeuge ja fast alles selbst erledigen, und die meisten Autofahrer werden ihre Freizeit nicht auf einem Übungsgelände verbringen, zumal dies auch kaum bezahlbar wäre.
Trotz dieser vielen Unzulänglichkeiten und Unabwägbarkeiten gibt es aber offensichtlich Menschen, die glauben, sie könnten gefahrlos hohe Geschwindigkeiten fahren. Ist dies auf Unwissenheit oder auf Selbstüberschätzung zurückzuführen? Paradoxerweise fordern diese Leute dann auch noch die vorsichtigen Fahrer auf, sich Gedanken über ihre Fahreignung zu machen. Verrückt, oder?
Eine Autofahrt ist, wie alles im Leben, immer ein Risiko. Hier gilt es also, einen Mittelweg zwischen Gefahr und Nutzen zu ziehen. Auf Autobahnen wird üblicherweise zwischen 90 und 140 Kilometern pro Stunde gefahren. Wenn man sich ebenfalls in diesem Geschwindigkeitsbereich bewegt, dürfte man relativ sicher sein. Zum einen ist dann die Geschwindigkeitsdifferenz zu den meisten anderen Verkehrsteilnehmern nicht zu hoch und zum anderen hat man hier noch recht viel Zeit, auf unerwartete Ereignisse zu reagieren (wobei man auch bei 120 km/h schon merkt, dass die Geschwindigkeit doch recht hoch ist, wenn der Vordermann plötzlich stark bremst oder ein Stauende hinter einer Kuppe im Gegenlicht auftaucht und man trotz starkem Bremsens dem vorderen Fahrzeug gefährlich nahe kommt). Falls die Situation doch mal völlig außer Kontrolle gerät, kann man bei Geschwindigkeiten um etwa 100 km/h noch darauf hoffen, dass die ausgefeilte Fahrzeugkonstruktion, die verwendeten Materialkombinationen und die Airbags dafür sorgen, dass die einwirkende Energie vom Fahrzeug aufgenommen und vom Körper weggehalten wird und man den Unfall dadurch überlebt. Ob die Sicherheitstechnik auch dann noch genügend Schutz bietet, wenn man mit 250 km/h gegen einen Brückenpfeiler knallt und das Auto auf ein handliches Format für den Schrottplatz gestaucht oder aber einfach in zwei Teile zerrissen wird, darf bezweifelt werden.
An Wissen und Erfahrung mangelt es natürlich vielen Autofahrern, auch solchen, die nicht so reich sind, wie ein Fußballprofi. Und auch diese Menschen können sich Autos kaufen oder leihen, die hohe Geschwindigkeiten erreichen. Damit dennoch jeder am Straßenverkehr teilnehmen kann, stehen überall Schilder, die einen darauf hinweisen, welche Geschwindigkeit hier angebracht ist, welche Gefahren drohen und wie man sich in verschiedenen Situationen zu verhalten hat. Schilder und Fahrbahnmarkierungen geben den Autofahrern die nötigen Informationen, sicher ans Ziel zu kommen. Und weil es immer wieder Leute gibt, die meinen, dass Schilder nur Richtwerte darstellen, gibt es Strafen, wenn man dabei erwischt wird, die Regeln zu übertreten.
Nun haben junge Fußballprofis aber nicht nur genug Geld, sich teure und schnelle Autos zu kaufen, sondern sie haben auch genug Geld, die Strafen für Verkehrsverstöße locker zu bezahlen. Hier treffen zwei Probleme aufeinander. Junge Menschen, die von der Fahrphysik keine Ahnung haben, weil sie mehr damit beschäftigt sind, einem runden Ball hinterherzulaufen, als sich zu bilden, können den Sicherungsmechanismus durch die Verkehrsregeln einfach ignorieren, weil sie sich bei Verstößen problemlos mit dem vielen Geld, das sie dafür erhalten, einem Ball vor unzähligen Werbebanden im Fußballstadion hinterherzulaufen, freikaufen können. Diesen jungen Fußballern fehlt also die Fähigkeit, sich aufgrund von eigenem Wissen richtig zu verhalten und sie müssen auch keine Regeln und Zwänge von außen beachten. Sie können es sich einfach leisten, die Verkehrsregeln zu übertreten. Zumindest finanziell.
So dürfte es auch bei Junior Malanda vom VfL Wolfsburg und seinen Freunden gewesen sein. Über 21 mal wurde sein Fahrzeug in vergangenem halben Jahr geblitzt, davon zehn mal mit über 200 Kilometern pro Stunde. Natürlich kann man mal die Geschindigkeit übertreten, weil man ein Schild übersehen hat oder sich etwas zu lange ausrollen lässt, um Sprit zu sparen. Aber bei einer solchen Häufigkeit von dokumentierten Regelübertretungen (die Geschindigkeitsüberschreitungen, die nicht von der Polizei gemessen wurden, werden noch weitaus mehr sein), kann man durchaus von Vorsatz sprechen.
Gefahren ist nicht immer Junior Malanda, sondern oftmals seine Freunde, die scheinbar ebenfalls ein Problem mit den Verkehrsregeln hatten. Auch bei seiner letzten Fahrt ist er nicht selbst gefahren. Der 20 Jährige saß bei dem Unfall, der für ihn tödlich endete, unangeschnallt auf der Rückbank und war aus dem Fenster geschleudert worden als der gleichaltrige Anthony D’Alberto, der am Steuer saß mit überhöhter Geschwindigkeit von der Straße abgekommen ist.
Beim Fliegen sagt man, dass man versuchen muss, die Tüte für Erfahrungen schneller zu befüllen, als die Tüte für Glück geleert wird. Scheinbar haben die jungen Fußballer wenig unternommen, um ihre Tüte mit Erfahrungen zu füllen und dann war die Tüte mit Glück irgendwann leer bevor die Tüte mit Erfahrung erkennbar gefüllt war. Junior Malanda hatte Spaß und konnte sich immer freikaufen, wenn Regeln und Gesetze dem Spaß im Wege standen. Nun ist er tot. Man kann zwar leicht einen Strafzettel für einen Geschwindigkeitsüberschreitung bezahlen und dann noch schneller weiterfahren, aber die Physik, die bei hohen Geschwindigkeiten wirkt, die kann man nicht bestechen.
In einem Kommentar zum Artikel “Malanda: Unfallauto zehnmal mit über 200km/h geblitzt” bei der Münchner Abendzeitung fragt sich ein Leser warum ein VW Tuareg über 200 km/h schnell sein muss. “Diese Geschwindigkeit taugt vielleicht für den Nürburgring für trainierte Rennfahrer. Auf einer Autobahn mit Otto-Normalfahrer ist sie schlicht gemeingefährlich. Insofern trifft auch die Autobauer eine Mitschuld an derartigen Unfällen!”.
Das sehe ich auch so. Diese Geschwindigkeiten sind eigentlich viel zu hoch und nicht nur für die Fahrer und Beifahrer, sondern auch für andere Verkehrsteilnehmer überaus gefährlich. Entsprechend unverständlich ist mir die darauffolgende Antwort eines anderen Lesers: “Wenn Sie auf freier, relativ gerader Strecke, guter Sicht und trockener Straße 200km/h mit einem aktuellem, bzw. technisch einwandfreiem Fahrzeug nicht beherrschen, sollten Sie sich Gedanken über Ihre Fahreignung machen. Das Problem hier war, wie bei fast allen ‘Raserunfällen’ die den Umständen nicht angepaßte Geschwindigkeit.”
Auf den ersten Blick stimmt die Aussage. Hauptgrund für viele Unfälle ist eine unangepasste Geschwindigkeit und zu wenig Abstand. Wer im dichten Verkehr wie ein Irrer aufs Gaspedal tritt und anderen so dicht auffährt, dass man einen Bierdeckel zwischen den Stoßstangen einklemmen kann, ist auf jeden Fall unangepasst gefahren und braucht sich nicht wundern, wenn er einen Unfall verursacht. Schwieriger wird es, die Situation auf (vermeintlich) freier Strecke einzuschätzen. Wenn weit und breit keine anderer Verkehrsteilnehmer zu sehen ist, die Autobahn trocken und gerade ist, dann kann man mit einem technisch einwandfreiem Fahrzeug auch 200 km/h und mehr fahren, ohne dass dies ein Problem wäre. Könnte man meinen.
Wer aber kann sich sicher sein, dass sein Fahrzeug wirklich technisch einwandfrei ist? Kaum jemand, wird vor JEDER Fahrt sein Auto auf äußerliche Auffälligkeiten untersucht, wie es beispielsweise die Piloten von Flugzeugen machen. Und kaum jemand wird seinem Fahrzeug vergleichbare Überprüfungen, wie die A-, B-, C-, IL- und D-Checks bei Flugzeugen durchführen lassen. Manch einer fährt mit einem vier Jahre alten Auto herum, dass in der Zwischenzeit nur einmal von einem TÜV-Prüfer mehr oder weniger oberflächlich angeschaut wurde. Das Auto nach einer bestimmten Zeit oder Fahrleistung nahezu komplett zu zerlegen, zu überprüfen und wieder zusammenbauen, wird niemand machen, nur um eventuelle leichte Beschädigungen an innenliegenden Teilen zu finden. Nichteinmal die Daten, welche in Echtzeit über die ODB2-Schnittstelle ausgelesen und ausgewertet werden können, wird ein Fahrer während der Fahrt (oder sonstirgendwann) analysieren, um Fehler zu erkennen. Erst wenn eine Warnlampe angeht, wird das Auto (vielleicht) in eine Werkstatt gebracht.
Die Voraussetzung für schnelle Fahrten, ein technisch einwandfreies Fahrzeug, kann also im Alltag nicht sichergestellt sein und damit löst sich die Argumentation des Lesers schon mal in Wohlgefallen auf.
Und auch die Argumentation, dass man auf auf freier, relativ gerader Strecke bei guter Sicht und trockener Straße gefahrlos schnell fahren kann, ist gewagt. In Deutschland gibt es bei den Autobahnen beispielsweise nichteinmal durchgehend Wildzäune. Über einer eben noch freie Strecke kann also plötzlich ein Wildschein oder ein Reh laufen. Und auch verlorene Ladung, die nun auf der Straße liegt, ist eventuell trotz guter Sicht erst spät erkennbar. Bis man sich überlegt hat, ob man ausweichen oder doch besser drüberfahren soll (weil Lenkmanöver bei hoher Geschwindigkeit extrem gefährlich sind), ist man dem Hindernis bald sehr nahe gekommen. Zudem können Menschen auch zeitweise Unaufmerksam oder abgelenkt sein oder gesundheitliche Probleme bekommen.
Und was macht man bei einem unvorhergesehenen Ereignis? Ein von einer Brücke geworfener Stein kann wie aus dem Nichts auftauchen und die Scheibe durchschlagen. Mann muss schon hart im Nehmen sein um dann nicht vor Schreck das Lenkrad zu verreißen, was eine gefährliche Reaktion bei hohen Geschwindigkeiten ist.
Was ist, wenn ein Reifen platzt oder aufgrund eines eingefahrenen Nagels die Luft verliert? Wer kann von sich behaupten, dass er alle möglichen Situationen bereits trainiert hat und sofort weiß, wie er reagieren muss? Wer kann ein Auto sauber abfangen, wenn es bei hoher Geschwindigkeit unerwartet ins Schlingern kommt (weil die Luft aus einem Reifen entweicht)? Auch ein Fahrer, der von sich behauptet, sein Fahrzeug zu beherrschen und problemlos schnell fahren zu können, wird Probleme bekommen, wenn er mit unerwarteten Gegebenheiten konfrontiert wird. Klar, es ist einfach ein modernes Fahrzeug auf hohe Geschwindigkeiten zu bringen. Dazu bedarf es keiner besonderen Fähigkeiten. Geniale Ingenieure und Techniker machen es mit ihren technischen Meisterwerken auf Rädern möglich, dass jeder Vollhorst mit 250 km/h über die Straße brettern kann und glaubt, er wäre der König vom Asphalt. Dazu braucht man auch nicht wissen, welche Technik gerade welche sicherheitsrelevanten Aufgaben im Auto durchführt und welche Systeme unterstützend eingreifen und für ein angenehmes Fahrgefühl sorgen. Man braucht sich auch keine Gedanken darüber zu machen, welche Eigenschaften der verbaute Straßenbelag hat, wie alt und abgefahren er ist oder ob die Poren verschmutzt sind. Und man muss sich zum schnellen Fahren auch keine Gedanken darüber machen, ob die aktuell verwendeten Reifen bei der jetzigen Außentemperatur gut zum Straßenbelag unter dem Fahrzeug passen und ob die Reifentemperatur für optimalen Grip stimmt. Nein, über all das muss man sich keine Gedanken machen, wenn man schnell fahren möchte. Man tritt einfach aufs Gaspedal und die Technik erledigt den Rest. Blöd nur, dass auch das teuerste Auto kaum mehr Kontaktfläche zum Boden hat, als ein DIN-A4-Blatt groß ist. Ziemlich wenig, wenn man bedenkt, dass sämtliche Kräfte über diese winzige Fläche übertragen werden müssen.
Es mag leicht sein, auf gerader und trockener Straße schnell zu fahren. Aber auch dann kann ein unvorhergesehenes Ereignis eintreten, bei dem man plötzlich ungewohnt gefordert wird. Konnte man sich bislang immer auf die Technik verlassen, muss man nun selbst aktiv eingreifen und die Situation unter Kontrolle zu bringen. Dafür dürften die meisten Fahrer aber nicht trainiert sein. Im Alltag hat man üblicherweise keine Gelegenheit, den Umgang mit seltenen Extremsituationen zu erlernen, zumal die Fahrzeuge ja fast alles selbst erledigen, und die meisten Autofahrer werden ihre Freizeit nicht auf einem Übungsgelände verbringen, zumal dies auch kaum bezahlbar wäre.
Trotz dieser vielen Unzulänglichkeiten und Unabwägbarkeiten gibt es aber offensichtlich Menschen, die glauben, sie könnten gefahrlos hohe Geschwindigkeiten fahren. Ist dies auf Unwissenheit oder auf Selbstüberschätzung zurückzuführen? Paradoxerweise fordern diese Leute dann auch noch die vorsichtigen Fahrer auf, sich Gedanken über ihre Fahreignung zu machen. Verrückt, oder?
Eine Autofahrt ist, wie alles im Leben, immer ein Risiko. Hier gilt es also, einen Mittelweg zwischen Gefahr und Nutzen zu ziehen. Auf Autobahnen wird üblicherweise zwischen 90 und 140 Kilometern pro Stunde gefahren. Wenn man sich ebenfalls in diesem Geschwindigkeitsbereich bewegt, dürfte man relativ sicher sein. Zum einen ist dann die Geschwindigkeitsdifferenz zu den meisten anderen Verkehrsteilnehmern nicht zu hoch und zum anderen hat man hier noch recht viel Zeit, auf unerwartete Ereignisse zu reagieren (wobei man auch bei 120 km/h schon merkt, dass die Geschwindigkeit doch recht hoch ist, wenn der Vordermann plötzlich stark bremst oder ein Stauende hinter einer Kuppe im Gegenlicht auftaucht und man trotz starkem Bremsens dem vorderen Fahrzeug gefährlich nahe kommt). Falls die Situation doch mal völlig außer Kontrolle gerät, kann man bei Geschwindigkeiten um etwa 100 km/h noch darauf hoffen, dass die ausgefeilte Fahrzeugkonstruktion, die verwendeten Materialkombinationen und die Airbags dafür sorgen, dass die einwirkende Energie vom Fahrzeug aufgenommen und vom Körper weggehalten wird und man den Unfall dadurch überlebt. Ob die Sicherheitstechnik auch dann noch genügend Schutz bietet, wenn man mit 250 km/h gegen einen Brückenpfeiler knallt und das Auto auf ein handliches Format für den Schrottplatz gestaucht oder aber einfach in zwei Teile zerrissen wird, darf bezweifelt werden.