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Puerto Pobre – Wie ein Inselstaat in Schulden versinkt

Puerto Rico bedeutet „reicher Hafen“. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wird doch aktuell die Verarmung durch das moderne Zinsgeldsystems am gleichnamigen Inselstaat deutlich.

Kleines Land, viel Sonne, blaues Meer – und die Regierung restlos pleite: Puerto Rico kann seine Schulden von 72 Milliarden Dollar aus eigener Kraft nicht mehr zurückzahlen. Was Griechenland für die Eurozone ist, wird der Inselstaat für die USA werden, sagen schon Experten.[1]

Quelle: Deutschlandfunk

Nehmen wir in einem Gedankenexperiment einmal an, ein Inselstaat wie Puerto Rico, nennen wir ihn Puerto Pobre, was soviel bedeutet, wie „armer Hafen“, soll auf einer neu entdeckten Insel gegründet werden. Weil es dort keine Infrastruktur gibt und auch kein Geldsystem, beschießen die Siedler das Geld von einer Bank vom Festland zu leihen. Das ist bequem und geht schnell. Die bislang nur auf dem amerikanischen Festland umtriebige Bank “Raffke Finanzen” ist begeistert und stellt einen Kredit in Höhe von 10 Milliarden Dolleros zur Verfügung. Weil die Finanzproduktverkäufer heute gute Laune haben, verlangen sie nur einen jährlichen Zinssatz von 10 Prozent anstatt einen Zinssatz zwischen 20 und 30 Prozent auszuwürfeln, wie es die Investoren der Bank gerne hätten.
Die Insulaner sind über die Konditionen höchst erfreut und willigen ein. Unverzüglich schöpft die Bank das Geld aus dem Nichts indem ein Schimpanse, der die Aufnahmeprüfung für den Zoo nicht geschafft hat, die Zahl in einen Computer eintippt. Auf der Aktivseite der Bank steigt die Forderungen um 10 Milliarden Dolleros, auf der Passivseite nehmen die Sichteinlage des neuen Inselstaates als Kreditnehmers um 10 Milliarden Dolleros zu.
Die Bewohner von Puerto Pobre bauen aus den auf der Insel vorhandenen Rohstoffen eine Infrastruktur auf, betreiben Landwirtschaft und mit den 10 Milliarden Dolleros können sie alle Waren und Dienstleistungen bequem handeln. Zur Außenwelt haben die Insulaner keinen Kontakt, man möchte lieber unter sich bleiben. Nach einem Jahr nimmt dann aber die Außenwelt Kontakt mit den Inselbewohnern auf. Die Bank Raffke Finanzen schreibt eine Erinnerung an die fällig werdenden Zinsen in Höhe von 1 Milliarden Dolleros. Die Insulaner, alles durchweg ehrliche Menschen, kommen der Zahlungsaufforderung natürlich unverzüglich nach. Über eine Steuer auf alle Vermögen in Höhe von 10 Prozent, wird das Geld eingesammelt und an die Bank auf dem Festland überwiesen.
Im nächsten Jahr muss wieder 1 Milliarde Dolleros an Zinsen bezahlt werden. Es wird wieder eine Steuer auf Vermögen eingezogen, um die geforderten Zinsen begleichen zu können. Diesmal beträgt die Steuer aber etwas über 11 Prozent, schließlich sind nur noch 9 Milliarden Dolleros auf der Insel vorhanden. Folglich muss ein höherer Anteil eingezogen werden, um auf die gleiche Summe zu kommen. Im nächsten Jahr beträgt die Steuer schon 12,5 Prozent und im Jahr darauf über 14 Prozent. Im fünften Jahr sind nach der fünften Bezahlung der Zinsen von jeweils 1 Milliarden Dolleros von den ursprünglichen 10 Milliarden Dolleros noch 5 Milliarden Dolleros auf der Insel vorhanden.
So allmählich wird den Menschen klar, dass den vielen gehandelten Waren und Dienstleistungen nur noch wenig Geld gegenübersteht. Die Menschen haben nur noch wenig Geld, um sich den Friseur leisten zu können und auch bei den Gütern des täglichen Bedarfs müssen sie immer stärker auf die Preise schauen. Den Waren und Dienstleistungen steht mittlerweile nur noch halb so viel Geld gegenüber, wie zu Beginn der Gründung des Inselstaates. Die Preise müssen folglich auf die Hälfte sinken.
Damit aber nicht genug, für die nächste Zinsrückzahlung werden wieder Steuern eingetrieben. 1 Milliarde Dolleros entsprechen 20 Prozent von 5 Milliarden Dolleros. Folglich betragen die Steuern auf Geldvermögen diesmal 20 Prozent.
Nach 9 Jahren wurden insgesamt 9 mal eine Milliarde Dollar an Zinsen bezahlt. Auf der Insel sind noch eine Milliarde Dollero vorhanden. Zumindest bis zum nächsten Zahlungstermin der aktuellen Zinsforderung. Die Steuern sind im Laufe der Zeit rapide angestiegen. Von Anfangs 10 Prozent, 11 Prozent, 12,5 Prozent, 14,2 Prozent, 20 Prozent, 25 Prozent, 33 Prozent, 50 Prozent auf nun 100 Prozent! Der Staat muss jeden verfügbaren Dollero einsammeln, um die fälligen Zinsen bezahlen zu können.
Jetzt wird es schwierig. Auf der Insel gibt es kein Geld mehr. Dafür hat der Inselstaat immer noch eine Verschuldung von 10 Milliarden Dollero und in einem Jahr wird eine weitere Zinszahlung fällig. Spätestens jetzt müssen die völlig verarmten Insulaner einen weiteren Kredit aufnehmen oder Waren in andere Länder exportieren, um mit den Einnahmen die Zinsen bezahlen zu können.
Wenn die Bewohner von Puerto Pobre einen weiteren Kredit aufnehmen, steigt natürlich die Verschuldung weiter und die Zinslasten werden noch größer. Irgendwann werden die Kreditgeber dann kein weiteres Geld mehr zur Verfügung stellen, schließlich müssen sie damit rechnen, dass der Schuldner seinen Verpflichtungen nicht mehr dauerhaft nachkommen kann, was dann zu unangenehmen Zahlungsausfällen und unschönen Abschreibungen führt. Was sollen erst die Anteilseigner der Bank an den Börsen sagen? Die möchten schließlich Gewinne machen und nicht Geld Verschenken!
Den Bewohnern von Puerto Pobre bleibt also dauerhaft nur die Möglichkeit, Waren zu exportieren. Hierfür müssen sie aber die Bodenschätze der Insel plündern, um dann unter Einsatz ihrer wertvollen Lebenszeit Produkte für den Export herzustellen, nur um Geld einzunehmen, dass sie direkt an die Banken weiterreichen müssen, die ihrerseits das Geld für den ursprünglichen Kredit ohne jeden reellen Gegenwert durch eine Buchung im Computer aus dem Nichts geschöpft haben.
Die Insulaner könnten durch besonderen Fleiß und großer Sparsamkeit natürlich genug Geld von externen Kunden einnehmen, um nicht nur die Zinsen, sondern ihre gesamten Schulden zurückzahlen zurückzuzahlen. Lokal gesehen würden sie dann zu den Gewinnern gehören. Aus globaler Sicht kann man in dieser Situation aber kaum von einem Gewinn sprechen. Denn auch die anderen Menschen haben das Problem, dass das von ihnen verwendete Geld als Kredit in den Umlauf kaum. Das Geld, welches nun also von den Inselbewohnern zur Tilgung ihrer Schulden verwendet wurde, fehlt somit den anderen Menschen. Die Probleme wurden folglich nur verlagert.

Als Fazit kann festgehalten werden, dass im zinsbasierten Finanzsystem allen vorhandenen Vermögen entsprechende Schulden zuzüglich der Zinsen gegenüberstehen. Es muss also ständig Geld zur Tilgung von Zinsen erwirtschaftet werden, was mit der Ausbeutung der Ressourcen und der Zerstörung der Umwelt verbunden ist.
Einzelne Gruppen können zwar tatsächlich aus der Schuldenfalle entkommen. Die Menschheit im Gesamten kann es aber keinesfalls.


Literaturverzeichnis:
[1]
Puerto Rico – Staatspleite in der Karibik; Deutschlandradio; Marcus Pindur; http://www.deutschlandfunk.de/puerto-rico-staatspleite-in-der-karibik.1773.de.html?dram:article_id=324384; 03.07.2015
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