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Gibt es noch Zinsen?

Die Überlegung, dass das zinsbasierte Geldsystem problematisch ist, weil zu zu jedem Zeitpunkt aufgrund der Zinsforderungen mehr Geld zurückgezahlt werden muss, als bei der Kreditvergabe überhaupt geschaffen wurde, wird zunehmend mit der Begründung relativiert, dass es ja mittlerweile kaum noch Zinsen auf Sparguthaben gibt. Als Folge der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) erheben sogar erste Sparkassen Gebühren für hohe Geldanlagen, wie Focus Money berichtet.[1]

Doch kann man tatsächlich so pauschal behaupten dass es faktisch keine Zinsen mehr gibt? Wohl kaum. Versuche doch einmal, werter Leser, bei einem Termin bei einer beliebigen Bank des Vertrauens einen Kredit mit folgenden Worten zu erhalten: “Sehr geehrter Finanzproduktverkäufer, ich möchte einen Kredit über zehntausend Euro aufnehmen und natürlich werde ich dafür keine Zinsen bezahlen. Ich werde der Bank in zehn oder zwanzig Jahren einfach die aktuell geliehene Summe wieder zukommen lassen.” Und wenn man bei der Gelegenheit auch noch erwähnt, keine Dispozinsen für das gerade überzogene Konto zu bezahlen, dann wird man vermutlich gewisse Probleme bekommen. Die Bank erwartet ganz selbstverständlich, dass ihre Kunden Zinsen bezahlen, wenn sie einen Kredit aufnehmen. Dispo- oder gar Überziehungszinsen sind mitunter sehr hoch. Bei Überziehung des Girokontos werden durchaus zehn Prozent und mehr Zinsen fällig.[2][3]
Es gibt also sehr wohl noch Zinsen. Lediglich der Sparer wird von Zinseinnahmen weitgehend ausgeschlossen. Die Banken selbst kassieren weiterhin Zinsen für vergebene Kredite. Nun waren Bankkunden ohnehin im Vergleich zu den Banken eher schlecht gestellt, was Zinseinnahmen betrifft. Legt ein Bankkunde Geld bei einer Bank an, leiht er der Bank also Geld, war es bislang üblich, dass er für dieses Geld Zinsen erhalten hat. Der Zinssatz, den die Bank dem Anleger bezahlt ist relativ gering und liegt mitunter bei weniger als ein Prozent. Die Bank selbst kann dieses Geld als Mindestreserve verbuchen und aufgrund des niedrigen Mindestreservesatzes, der in Europa derzeit bei einem Prozent liegt, ein vielfaches des Geldes gegen hohe Zinsen an Krediten vergeben. Dadurch wird auch noch die Geldmenge ausgeweitet und das bestehende Vermögen der Sparer entwertet. Vereinfacht gesprochen, ist es also möglich, dass eine Bank auf eine Einlage von 100 Euro ein Prozent Zinsen bezahlt, während sie darauf aufbauend Kredite in Höhe von 100.00 Euro vergeben und hierfür zehn und mehr Prozent Zinsen nehmen kann.

Um einem Kunden einen Kredit zu geben, braucht die Bank noch nicht einmal die Spareinlage eines anderen Kunden aus ihrem Tresor zu holen. Sie schafft Geld aus nichts. Allerdings: Die Bank muss im Gegenzug für den Kredit Geld bei der Zentralbank deponieren – die sogenannte Mindestreserve. Sie ist viel kleiner als der Kredit: Lange Zeit betrug sie zwei Prozent des Kreditbetrags, gerade wurde sie auf ein Prozent gesenkt. Eine Bank, die 10.000 Euro Kredit vergeben will, braucht also 100 Euro Mindestreserve.[4]

Quelle:Frankfurter Allgemeine Zeitung

Vereinfacht gesagt, möchten Banken den Kunden zukünftig ein Prozent Zinsen auf 100 gesparte Euro nicht mehr ausbezahlen, während sie weiterhin ganz selbstverständlich zehn Prozent Zinsen auf einen darauf aufbauenden Kredit von 10.000 Euro verlangen können.


Weiterführende Informationen:
Bundesbank: Geldschöpfung
Bundesbank: Mindestreserve


Literaturverzeichnis:
[1]
Wegen Niedrigzinsen – Erste Sparkassen verlangen Gebühr für hohe Geldanlagen; cp/dpa; Focus Money Online; http://www.focus.de/finanzen/banken/wegen-niedrigzinsen-erste-sparkassen-verlangen-gebuehr-fuer-hohe-geldanlagen_id_5531729.html; 14.05.201
[2]
Dispo-Zinsen – Welche Banken am stärksten zulangen; Handelsblatt; Thomas Schmitt; http://www.handelsblatt.com/finanzen/vorsorge/altersvorsorge-sparen/dispo-zinsen-welche-banken-am-staerksten-zulangen/7259790.html; 16.10.2012
[3]
Vergleich Dispozinsen; Finanztip; http://www.finanztip.de/girokonto/dispozinsen/; 11.04.2016
[4]
Geldschöpfung – Wie kommt Geld in die Welt?; Frankfurter Allgemeine Zeitung; Christian Siedenbiedel; http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftswissen/geldschoepfung-wie-kommt-geld-in-die-welt-11637825-p2.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2; 05.02.2012
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