Der Zorn der Trolle
Troll-Kommentare – Meine Tage im Hass
Ich arbeite in der Online-Redaktion. Von manchen Lesern bekomme ich jeden Tag was zu hören: „Neunmalkluge“, „Hetzpresse“, „widerliche Kriegstreiber“. Kritik, so scheint es, war gestern, heute herrscht Kampf. Soll ich das persönlich nehmen?[1]
Quelle: FAZ
So beginnt eine Redakteurin der Frankfurter Allgemeinen einen Artikel darüber, wie sie von den Lesern Tag für Tag beleidigt und beschimpft wird. Redakteure von Zeitungen werden sich viele Beschimpfungen anhören müssen. Durch die Kommentarfunktionen zu den Berichten im Internet kann jeder ohne großen Aufwand seine Meinung äußern und so manch eine der Meinungen befindet sich auf beachtlich niedrigem Niveau.
Warum aber gibt es solch extrem negative und sogar beleidigende Kommentare? Ich vermute, dass sich viele Leute auf diese Weise den Frust von der Seele schreiben. Jeden Tag müssen wir erleben, wie durch Zins und Zinseszins das Geld der arbeitenden Menschen umverteilt wird zu den reichen Menschen, deren unermessliche Reichtümer ihnen einen automatischen Anspruch auf noch mehr Geld zusichern, ohne dass sie dafür etwas leisten müssen. Während die große Masse immer mehr in Armut und Schulden versinkt und viele Stunden am Tag für die Einkommen anderer arbeiten müssen, kann ein kleiner Teil der Menschen sich jeden Tag einen Luxussportwagen kaufen. Das schlimme ist nicht, dass es reiche Menschen gibt. Wer viel leistet, dem steht es zu, viel Geld zu erhalten. Aber in der heutigen Gesellschaft ist es so, dass diejenigen, die sich jeden Tag für das Wohl anderer einsetzen und mitunter gefährliche Arbeiten verrichten (Krankenpfleger, Kanalarbeiter, Bauarbeiter, …) kaum von dem Geld leben können, dass sie erhalten. Gleichzeitig streichen andere bei windigen Börsengeschäfte Milliarden ein oder kassieren unvorstellbar hohe Zinsen, weil sie bereits viel mehr Geld besitzen, als sie benötigen und dieses an diejenigen verleihen können, die das Geld dringend brauchen.
Das Geld, das den Reichen aufgrund ihrer Zinsansprüche auf ihr Vermögen Vermögen zusteht, muss natürlich erwirtschaftet werden. Also muss die Wirtschaft im gleichen Maße wachsen, wie die Geldvermögen durch Zins und Zinseszins wachsen. Folglich müssen immer schneller immer mehr Produkte hergestellt und verkauft werden, als eigentlich nötig wäre, um ein angenehmes Leben zu führen. Wir produzieren im Prinzip unter Einsatz unserer wertvollen Lebenszeit Produkte die wir nicht benötigen, um damit Geld zu erwirtschaften, dass wir dann zu großen Teilen an die Zinsempfänger abgeben müssen. Dass wir dafür immer mehr Ressourcen benötigen und die Umwelt zerstören ist ein fürchterlicher Nebeneffekt dieses irrsinnigen Systems.
Soetwas ist frustrierend und wir können uns nicht dagegen wehren. Bei wichtigen Entscheidungen dürfen wir nicht mitbestimmen. Wir werden häufig noch nichteinmal informiert, wenn in der Politik ABsprachen getroffen werden, die uns alle betreffen. Wir erfahren nichts über die Bilderberg-Treffen und nur wenig über die Verhandlungen zum TTIP zwischen Europa und den USA. Die Mainstream-Medien sind keine große Hilfe, weil sie in den vielen Artikeln über Umweltzerstörung und Finanzkrise nicht die Ursachen ergründen und die Lösungsvorschläge, die es gibt aufgreifen und zur Diskussion stellen. Ganz im Gegenteil: die Querdenker werden mitunter von den Medien nach allen Regeln der Kunst diffamiert, wie etwa hier: http://www.wissensmanufaktur.net/3sat-andreas-popp.
Während es so viele wichtige Dinge zu besprechen gäbe, berichten die etablierten Medien permanent über Belanglosigkeiten. Auch wenn es nicht richtig ist, die Redakteure zu beschimpfen, wundert es nicht wirklich, dass die Menschen sich so rüpelhaft verhalten. Sie machen dadurch ihren Unmut Luft, weil sie den selbstherrlichen Eliten, die dieses System aufrechterhalten, niemals ihre Meinung sagen werden können. Wenn die Reichen und Mächtigen sich treffen, dann tagen sie in Hotels, die für die Öffentlichkeit gesperrt sind. Um das Geldände werden hohe Zäune aufgebaut und die Polizei hält auf Kosten der Steuerzahler die Demonstranten und Hobbyreporter fern. Berufsjournalisten wird die Polizei nicht abhalten müssen, die glänzen für gewöhnlich ohnehin durch Abwesenheit, wenn sich über hundert einflussreichen Personen aus Wirtschaft, Militär, Politik, Medien, Hochschulen und Adel treffen, um über die Zukunft der Welt zu reden.[2] Die Mainstream-Journalisten scharen sich lieber dort, wo ein Prominenter etwas belangloses tut, das sich aber gut vermarkten lässt. Oder sie fahren in großen Gruppen zu Sportveranstaltungen, und berichten so umfassend und ausladend über Olymiasportler oder Fußballspieler als gäbe es keine anderen Themen. Brot und Spiele fürs Volk. So hält man die Massen am leben und bei Laune und die Medien arbeiten bewusst oder unbewusst mit an diesem verwerflichen System der Ausbeutung und Verdummung und der Zerstörung unserer Umwelt.
Am Endes des Artikels, in dem die Autorin überlegt, wie sie und ihre Kollegen mit den Beschimpfungen umgehen sollen, werden drei Artikel als “weitere Empfehlungen” aufgelistet. Bei allen drei geht es um das belanglose Thema Fußball, mit dem derzeit die Menschen davon abgehalten werden, sich mit bedeutungsvolleren Dingen zu befassen und gleichzeitig werden sie bei den Fußballspielen mit Werbung zugeschüttet, um noch mehr Dinge zu kaufen, die eigentlich keiner braucht. Da möchte man doch gleich einen bösen Kommentar an die Zeitung schreiben … ;)
Kann es da wirklich noch verwunderlich sein, dass den Menschen irgendwann der Kragen platzt? Wohl kaum. Es besteht jedoch zu befürchten, dass es noch schlimmer wird und nicht nur bei Beschimpfungen bleibt. Wie in anderen Ländern zu sehen ist, sind Menschen durchaus bereit, auf die Straße zu gehen und für ein besseres Leben mit handfester Gewalt zu kämpfen. Leider lassen sich diese Menschen dann besonders leicht für abscheuliche und egoistische Interessen einspannen. Im Glauben, für das Gute zu kämpfen, vollbringen sie dann fürchterliche Taten. Am Ende werden die Menschen dann mit ihrer Wut keine Verbesserung erreichen, sondern nur eine Spirale der Gewalt anstoßen.
Hier müsste vorher eingegriffen werden, so lange die Menschen noch Kommentare im Internet schreiben anstatt Brandsätze zu werfen oder sich vor einer Polizeiwache in die Luft sprengen. Die Menschen müssen sich bilden dürfen und können. Die Menschen müssen informiert werden. Es muss über die Hintergründe von politischen Entscheidungen berichtet werden bevor “die Sache über die Bühne ist” und wieder alles “über die Köpfe der Menschen hinweg” entschieden wurde. Es müssen mögliche Alternativen und deren Vor- und Nachteile aufgezeigt werden. Vor allem aber muss ein System etabliert werden, in dem Wissen und eigener Hände Arbeit belohnt wird und man nicht einfach deshalb immer reicher wird, weil man bereits ein Vermögen geerbt hat oder weil man andere Menschen ausbeutet, während diejenigen, die etwas leisten nicht genug Geld zum leben erhalten.
Es besteht noch viel Aufklärungsbedarf über den Zustand des Systems in dem wir leben, die Ursachen und die Folgen. Diese Aufklärung erhält man – abgesehen von wenigen löblichen Ausnahmen (die es auch bei der FAZ gibt) – in den Mainstream-Medien nicht. Stattdessen gibt es hauptsächlich Reportagen (oder besser gesagt abgeschriebene Pressemeldungen) über Belanglosigkeiten, Kochsendungen und Sportberichterstattung. Da brauchen sich die Reporter dann nicht zu beschweren, wenn sie den Zorn der Leser auf sich ziehen. Allerdings sollten unfaire Beleidigungen keinen Platz in den Kommentarbereichen der Zeitungen haben. Aber einen Zweck erfüllen sie doch: Sie rütteln auf und zeigen, dass sich in der Presselandschaft einiges ändern muss. Ob der Weg mittels Beleidigungen der richtige ist, ist aber fraglich. Die Reporter sind in dem System genauso gefangen, wie alle anderen auch. Sie sind nicht unsere Feinde.
Nun liegt es an den Verantwortlichen der Zeitungen, diese (möglicherweise zu drastischen) Warnsignale zu erkennen und entsprechend mehr über die wichtigen Dinge zu berichten. Die Reporter können aber auch weiterhin mit belanglosen Artikeln über Nichtigkeiten von den wichtigen Dingen ablenken und dann beleidigt sein, wenn sie dafür angefeindet werden (und ganz nebenbei auch immer weniger Menschen eine Zeitung kaufen wollen)!