Berichte

Arbeit, Arbeit, Arbeit …

In der Online-Ausgabe der Zeitung DIE WELT ist heute ein Beitrag erschienen, mit dem die Menschen motiviert werden sollen, bis ins hohe Alter zu arbeiten.

Lasst uns auch im Alter weiter arbeiten!

Unser aktuelles Rentensystem ist nicht mehr finanzierbar. Eine Umfrage zeigt, dass viele Deutsche das verstanden haben. Vor allem die gut Ausgebildeten wollen gern über das 63. Jahr hinaus arbeiten.[1]

Quelle: Die Zeit

Nachdem gerade Millionen Seniorenhaushalte mit der Auszahlung der Mütterrente beglückt worden seien und die abschlagsfreie Rente mit 63 die Menschheit ins Verderben zu führen droht, soll nun nach Meinung von von Dorothea Siems, Chefkorrespondentin für Wirtschaftspolitik, mit den Wohlfühl-Programmen Schluss sein. Wenn es nach ihr geht, sollen die Menschen noch bis 65, 67 oder noch länger arbeiten. Nur so könne verhindert werden, dass die demografische Entwicklung das Rentensystem gefährdet.

Länger Arbeiten, weil der Job Spaß macht

Ermutigend ist, dass Arbeiten im Alter offenbar für das Gros der Bevölkerung gar kein Schreckensszenario ist. Mehr noch: Viele können es sich gut vorstellen, auch nach dem Erreichen der Altersgrenze weiter in Lohn und Brot zu bleiben – und zwar, weil der Job Spaß macht. Arbeit bedeutet für die meisten Menschen Teilhabe.[1]

Quelle: Die Zeit

Nun, viele Menschen sind nach eine jahrzehntelangen Berufsleben ausgezehrt und weder geistig noch körperlich in der Lage, den Anforderungen gerecht zu werden. Wer tagein und tagaus in sengender Hitze oder eisiger Kälte auf Baustellen schwere Lasten bewegte, hat irgendwann so geschundene Knochen, dass er die Arbeit kaum noch bewältigen kann. Und auch die Bürojobs sind nicht ohne. Auf den ersten Blick mag es zwar einfach aussehen, immer nur an einem Schreibtisch zu sitzen und auf einer Computertastatur herumzuhacken, allerdings sind Menschen darauf ausgelegt sich zu bewegen. Wer einen Großteil der Zeit sitzend verbringen, müssen mit Bandscheibenvorfällen oder anderen haltungsbedingten Erkrankungen rechnen.
Zudem fällte es Menschen natürlich immer schwerer, sich im hohen Alter noch flexibel auf neue Gegebenheiten einzustellen und mit der rasanten Entwicklung Schritt zu halten. Mit zunehmendem Alter gewinnt man zwar an Erfahrung, aber in vielen Jobs helfen Erfahrungen nur bedingt, weil sie sich auf bereits veraltete Sachverhalte beziehen. Wichtiger ist es in vielen Branchen, schnell neue Dinge zu lernen und das können jüngere Menschen besser. Ein Arbeitgeber wird somit eher Interesse an einem jungen Mitarbeiter haben, der die aktuell benötigten Dinge schnell lernt (und bald wieder vergisst um neues zu lernen), als an älteren Mitarbeitern, die zwar viel Erfahrung haben, aber davon nichts mehr gebrauchen können, weil es die Technik, auf die sich die Erfahrung bezieht, schon lange nicht mehr gibt.

Die Menschen, mit denen ich mich unterhalten habe, würden lieber früher als später in Rente gehen – wären da nicht die hohen Abzüge. Und wer dicht vor der Rente steht, zählt meistens schon die Tage, bis er endlich nicht mehr jeden Morgen zur Arbeit erscheinen muss und wie ein kleines Kind um Unterschriften zur Entschuldigung durch die Vorgesetzten betteln muss, wenn er mal zu spät am Arbeitsplatz erschienen ist oder früher gehen will.
Nein, die meisten Menschen wollen keine Arbeit, sondern benötigen ein Gehalt, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Vermutlich würde kaum noch jemand zur Arbeit kommen, wenn er kein Gehalt mehr bekommt. Leider arbeiten wir aber nicht nur für unser eigenes Einkommen. Wir arbeiten zu einem großen Teil auch dafür, das Geld für den Zins und den Zinseszins zu erwirtschaften, ohne den das Finanzsystem in der jetzigen Form nicht existieren kann. Dadurch werden die Reichen ohne eine Leistung erbringen zu müssen immer reicher, während die armen arbeitenden Menschen immer ärmer werden. Und wir arbeiten dafür, dass die Regierungen Geld für Waffen und andere Dinge ausgeben kann, die wir nicht haben wollen. Nicht zu vergessen, die viele Bürokratie. Man schaue sich nur mal die Regelung der Umsatzsteuer an. Wenn ein Hersteller Rohstoffe einkauft, muss der dafür Umsatzsteuer, die Vorsteuer genannt wird, an den Lieferant der Rohstoffe bezahlen, die diese eingenommene Steuer an das Finanzamt abführen muss. Da die Einkommenssteuer aber nur von den Endverbrauchern zu bezahlen ist, kann der Hersteller die bezahlte Umsatzsteuer wieder vom Finanzamt zurückfordern, so dass er am Schluss keine Kosten hatte. Wenn der Hersteller dann die Ware zu einem höheren Preis an den Händler verkauft, dann muss auch er vom Händler die Umsatzsteuer in Form einer Vorsteuer für den Betrag kassieren, den er dem Händler in Rechnung stellt, kassieren und an das Finanzamt abführen. Der Händler muss aber eigentlich auch keine Umsatzsteuer bezahlen, weshalb er die Vorsteuer ebenfalls vom Finanzamt zurückerstattet bekommt. Bislang ist das Ganze also ein Nullsummenspiel, das in erster Linie allen Beteiligten viel Aufwand bereitet hat. Erst wenn der Händler die Ware an einen Endkunden verkauft hat, dann kann muss er für das Finanzamt die Umsatzsteuer für das Produkt kassieren und an das Finanzamt abführen. Hinzu kommt, dass es unterschiedliche Umsatzsteuersätze gibt und für eine Pizza beispielsweise 19 Prozent oder 7 Prozent Umsatzsteuer zu bezahlen sind, je nachdem, ob der Kunde die Pizza am Tisch im Restaurant isst oder “zum Mitnehmen” bestellt. Dadurch wird das Verbuchen der Umsätze sehr aufwändig. Noch komplizierter wird es, wenn ein Händler Waren bei einem Verkäufer einkauft, der keine Umsatzsteuer ausweisen darf, weil er sie aus Gründen der Vereinfachung nicht an das Finanzamt abführen muss (das ist z.B. bei Kleinunternehmer der Fall, die so geringe Umsätze haben, dass sich das Finanzamt garnicht erst mit den geringen Steuereinnahmen auseinandersetzen will). Dann kann sich der Händler natürlich zum einen keine Vorsteuer vom Finanzamt erstatten lassen und er darf beim Verkauf dieser Artikel auch selbst keine Umsatzsteuer auf der Rechnung an seine Kunden ausweisen. Allerdings muss er für den Betrag, den der Verkaufspreis den Einkaufspreis übersteigt, Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen – und zwar immer 19 Prozent, auch für Artikel, die eigentlich nur mit 7 Prozent zu versteuern wären, wie etwa Bücher. Dies nennt sich dann Differenzbesteuerung.
Halten wir fest: Wir verbringen einen großen Teil unserer Lebenszeit damit, die Zinsen und Zinseszinsen für extrem reiche Menschen zu erarbeiten. Darüber hinaus verbringen wir Zeit damit, Geld für Dinge zu erarbeiten, die wir nicht befürworten (Waffen, …). Und wir verbringen viel Zeit mit überaus komplexen bürokratischen Vorgängen, die nichts bringen und nur kosten verursachen. Würden all dies entfallen und wir würden nur noch für den eigenen Unterhalt und für den Aufbau und den Erhalt der Infrastruktur arbeiten, kämen wir mit sehr viel weniger Arbeit aus. Drei bis vier Stunden am Tag und mit 50 den Lebensabend genießen, könnte dann vielleicht sogar sehr realistisch sein. Einen großen Teil der Arbeit können Maschinen für uns erledigen. Maschinen können die Saat auf den Feldern ausbringen und die Pflanzen ernten. Die Herstellung von Lebensmitteln klappt auch weitgehend automatische. Ebenso wie die Herstellung ein Großteil der Produkte, die wir benötigen. Was nicht ersetzt werden kann, sind die sozialen Arbeiten, wie etwa die Pflege und Betreuung von alten und kranken Menschen. Hierfür stünden aber genügend Menschen zur Verfügung, wenn nicht mehr so viele Menschen damit beschäftigt werden, einfach nur Papier zu beschmutzen, wie etwa Finanzanwälte und Steuerberater (die nicht mehr benötigt werden werden würden, wenn das Finanz- und das Steuersystem nicht so unglaublich komplex wären), Mitarbeiter in der Werbeindustrie (die nur deshalb immer neue Produkte in einen längst gesättigten Markt bringen müssen, damit das Wirtschaftswachstum nicht ins Stocken gerät) oder Arbeiter im Bereich der Abfalllogistik (die für die Entsorgung der ganzen unnötigen Verpackungen und Wegwerfartikel, die nicht mehr repariert werden können, zuständig sind). Ja, wir verbringen einen Großteil unserer Arbeitszeit mit völlig unnötigen Arbeiten und weil immer mehr von den erwirtschafteten Gewinnen nicht demjenigen zukommen, der hierfür gearbeitet hat, sondern in anderen Kanälen verschwindet, müssen wir immer länger arbeiten, um zumindest den Lebensstandard zu halten. Vor diesem Hintergrund klingen die Forderungen nach immer längeren Arbeitszeiten wie blanker Hohn!

Literaturverzeichnis:
[1]
Kommentar Rentenpläne – Lasst uns auch im Alter weiter arbeiten!; Die Zeit; Dorothea Siems; http://www.welt.de/debatte/kommentare/article133952049/Lasst-uns-auch-im-Alter-weiter-arbeiten.html; 04.11.2014
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