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Wie Kunden bei der Bahn zu “ehrenamtlichen” Mitarbeitern werden

Die Bereitstellung von Fahrkarten in einer App ist schon ein raffiniertes Konzept bei der Deutschen Bahn. Die IT-Infrastruktur des Unternehmens wird dadurch in Teilen auf die Smartphones der Kunden ausgedehnt, welche notwendig werden, um über eine App den Besitz einer gültigen Fahrkarte nachzuweisen. Für die Wartung der Endgeräte, die der Kunde auch selbst finanzieren muss, ist der Kunde zuständig. Er muss die Software auf seinem Gerät aktuell halten und bei Bedarf auch die Hardware austauschen, wenn sie nicht mehr den vom Unternehmen gestellten Anforderungen entspricht. Zusätzlich muss er sich um die Ausfallsicherheit kümmern, also theoretisch mehrere unabhängige Geräte betreiben und bereithalten. Ebenso muss der Kunde eine WLAN- oder Mobilfunkverbindung sicherstellen, damit die App mit den Servern des Unternehmens kommunizieren kann.
Für diese Arbeit erhält der Bahnkunde im Gegensatz zu den regulär angestellten Mitarbeitern jedoch keinen Lohn, es werden auch keine Krankenversicherungsbeiträge gezahlt und das Bahn-Unternehmen muss nicht in die Rentenkasse einbezahlen. Man könnte sagen, dass Bahnkunden völlig “ehrenamtlich” und auf eigenes Risiko für das Unternehmen arbeiten. Anforderungen an die Arbeitsplatzsicherheit oder die Ergonomie bei Bildschirmarbeitsplätzen müssen für die mitarbeitenden Kunden auch nicht erfüllt werden.

Sollte es nun technische Probleme am Endgerät geben, die eine Fahrkartenkontrolle unmöglich machen, haftet der Bahnkunde dafür. Falls die Fahrkarte in der App bei einer Kontrolle nicht vorgewiesen werden kann, wird eine Strafe in Form eines erhöhten Beförderungsentgeltes zusätzlich zum regulären Fahrpreis fällig. Der Kunde kann dann innerhalb festgelegter Fristen den Nachweis des Besitzes einer gültigen Fahrkarte erbringen, so dass das die Fahrpreisnacherhebung entfällt, aber eine Bearbeitungsgebühr von 7 Euro muss er gegebenenfalls dennoch entrichten. Eventuell kann die Gebühr aber auch entfallen, wie hier zu lesen ist.

Beim Focus wird diesbezüglich über eine Erfahrung eines Bahn-Kunden geschrieben:

Der Nutzer berichtete, dass sein Ticket trotz mehrfacher Aktualisierung der App nicht angezeigt wurde. Auch wenn der Pendler eine Buchungsbestätigung vorzeigen konnte, bliebt der Kontrolleur davon unbeeindruckt: „Jedoch druckte er mir kurz danach, ohne mit den Wimpern zu zucken einen Bußgeldbescheid von 60 Euro aus“, schreibt der Reddit-Nutzer.

Als der Fahrgast im nächsten Zug kontrolliert wurde, tauchte das Ticket wieder in der App auf und die Zugbegleiterin konnte es ohne Probleme einscannen. Deshalb bat er um die Annullierung des Bußgeldbescheides, was die Zugbegleiterin jedoch ablehnte. In einem Kommentar unter seinem Beitrag gab der Nutzer an, er habe beim DB-Servicecenter inzwischen eine Reduzierung der Strafe auf sieben Euro erreicht.

Quelle: Focus | App-Panne: Pendler soll 60 Euro zahlen, obwohl er ein Deutschlandticket hat

Sollte sich der Fall so zugetragen haben, bedeutet dies wohl, dass Kunden selbst im Falle einer Fehlfunktion der App haften und zusätzliche Gebühren bezahlen müssen. Der Quelltext der App-Software kann jedoch von den Kunden weder zur Fehlersuche und Qualitätsverbesserung eingesehen noch überarbeitet werden. Auch auf die Server hat der Kunde keinen erweiterten Zugriff und kann keinen Einfluss auf die interne IT des Unternehmens nehmen. Dennoch werden Kunden so behandelt, als wären sie verantwortliche Software-Entwickler bei der Bahn und werden bei Fehlern zur Kasse gebeten.

Wer nun auf die Idee kommt, ein Backup in Form eines Ausdruckes vorzuhalten, der muss mit einer Enttäuschung rechnen. Diese werden nicht unbedingt anerkannt.

Ich habe ein digitales Deutschlandticket. Kann ich den Barcode auch ausdrucken und bei einer Kontrolle vorzeigen?

Der Barcode für das Abo muss in der jeweiligen App vorgezeigt werden. Ausdrucke können leider nicht akzeptiert werden.

Quelle: Rheinbahn | FAQs Deutschlandticket

Wenn die Kunden schon Teile der Arbeit übernehmen, welche eigentlich in der Verantwortung des Unternehmens liegen sollten, dann wäre es angemessen, wenn sie hierfür auch bezahlt werden und im Falle einer Fehlfunktion der Software eine Entschädigung für den Zusätzlichen Aufwand zur Erbringung der Nachweispflichten erhalten.
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