Berichte

Schuften für die Schufte?

Sergey Brin will Googles Mitarbeiter motivieren, indem er deutlich mehr Arbeitsstunden und die Rückkehr ins Büro fordert. Der Mitbegründer von Google hält „60 Stunden als „Sweet Spot der Produktivität“, laut einem Schreiben, dass Sergey Brin an die Mitarbeiter von Googles DeepMind geschrieben haben soll. 60 Stunden, also 12 Stunden pro Tag bei einer 5-Tage-Arbeitswoche, sieht er als „grobe Orientierung“. Bei noch mehr Arbeitszeit würden viele Mitarbeiter ausbrennen und ihre Kreativität verlieren, manche Menschen seien aber in der Lage, mehr zu arbeiten. Offenbar sind jene Menschen, die nur die Regelarbeitszeit leisten, „unproduktiv“ und „äußerst demoralisierend“ für andere.
Ja, was man nun nicht unbedingt als Reaktion hört: Yeah, ich möchte mich richtig hart verausgaben und direkt in den Burn-out schlittern, um Brin, Zuckerberg oder Musk noch reicher zu machen.


Kreatives Schaffen oder stupide Sklavenarbeit

Es ist eine Sache, sich für sein eigenes Unternehmen, das man selbst gegründet hat und dass das eigene Lebenswerk ist, eigenständig abzurackern und Tag und Nacht zu arbeiten, aber eine andere Sache, permanent von Vorgesetzten eines fremden Unternehmens vorgegeben zu bekommen, was man wann und wie zu tun hat, während die Umsätze und die Rechte der erschaffenen Produkten dann hauptsächlich dem Unternehmen zufließen.
Das was der Eigentümer eines Unternehmens erschafft oder erschaffen lässt, gehört ihm. Was der angestellte Mitarbeiter erschafft, gehört auch dem Unternehmer und darüber hinaus kann das Unternehmen die Angestellten (zumindest in den USA) auch noch jederzeit vor die Tür setzen und dann steht man vielleicht nach jahrzente langer harter Arbeit für das Unternehmen von heute auf morgen ohne Lohn und Brot da. Die Motivation etwas zu leisten, dass dann einem anderen gehört, ist nun mal deutlich geringer, als für sich selbst zu arbeiten. Und auch ein Gründer von Google oder Tesla oder Microsoft oder Facebook, der für sein Unternehmen hart arbeitet, wird sich hauptsächlich mit den Tätigkeiten befassen, die ihm Freude bereiten und die übrigen Aufgaben an Angestellte auslagern. Wenn man sich von den Einnahmen dann auch noch Villen, Yachten, Hubschrauber und Flugzeuge für das leibliche Wohl leisten kann, macht die Arbeit gewiss noch mehr Spaß! Aber selbst die fleißigsten Konzernbosse der großen Unternehmen werden vermutlich keine 60 Stunden oder mehr freiwillig für einen Hungerlohn stupide Schreibtischarbeit in einem fremden Unternehmen leisten, in dem sie nicht mehr zu sagen haben, als der Wasserspender in einem Eck des Treppenhauses oder gar die Toiletten in einem Kaufhaus putzen und andere „niedere“ Arbeiten verrichten. Erst recht nicht, wenn sie dafür nur ein Gehalt bekämen, das zum leben zu wenig und zum sterben zu viel ist. So sieht aber leider der Alltag vieler Menschen aus!

Auf der einen Seite wird von den Mitarbeitern erwartet, dass sie sich für den Konzern aufopfern. Auf der anderen Seite zahlt Google aber angeblich auch dafür, dass Mitarbeiter nach dem Ausscheiden bei dem Unternehmen bis zu einem Jahr lang nicht bei anderen Unternehmen eine Arbeit aufnehmen. Aus Konzern-Sicht ist dies nachvollziehbar. So soll verhindert werden, dass die Mitarbeiter ihr Wissen bei der Konkurrenz einsetzen. Die Menschen sollen immer produktiver werden und idealerweise bis kurz vor dem Zusammenbruch arbeiten, aber natürlich nur für das unternehmen, beziehungsweise deren Eigentümer. Wer aber nur als Bittsteller und Diener für den Konzern arbeitet und nicht etwas für sich selbst aufbauen kann und darf, von dem kann man kaum erwarten, dass er so motiviert bei der Sache ist, wie der Gründer und Besitzer des Unternehmens. Der Mitarbeiter muss 60 bis 80 Stunden arbeiten, wenn es nach den Konzernbossen geht. Der Konzernboss darf 60 bis 80 Stunden arbeiten. Das ist ein großer Unterschied!

Bei einer 5-Tage-Woche sind das, wie bereits erwähnt, 12 Stunden Arbeitszeit am Tag. Dazu noch eine Mittagspause und gegebenenfalls noch ein oder zwei Stunden Arbeitsweg, gegebenenfalls in einer versifften U-Bahn und nicht im Privatjet. Dann wäre man 15 bis 17 Stunden am Tag für den Job unterwegs!

„Freizeit“ ist nicht freie Zeit, sondern Zeit für die übrigen Verpflichtungen

Die Milliardäre, welche 60 Stunden-Arbeitswochen fordern, müssen vermutlich auch nicht nach der Arbeit noch einkaufen gehen, sich um die Kinder kümmern, kranke Angehörige pflegen, an Elternabenden teilnehmen, die Kinder zum Sport fahren Essen kochen, den Garten pflegen, ein altes Haus sanieren, das Auto in die Werkstatt bringen, sich mit irgend welchen Rechtsstreitigkeiten rumschlagen, weil ein großer Konzern es nicht für nötig hält die Regeln und Gesetze einzuhalten, eine Steuererklärung schreiben oder Unterlagen für die Beantwortung von Fragen zu einem staatlichen Zensus zusammensuchen. Ganz im Gegenteil haben die Milliardäre mitunter noch genug Zeit, dass sich der Kauf einer oder mehrerer Superjachten für Ausflüge lohnt. All diese Dinge können die Milliardäre von Hilfskräften erledigen lassen die sie von dem Geld bezahlen, welches die Menschen erarbeiten, von denen sie noch mehr Arbeitsleistung verlangen und die schon jetzt kaum noch genug Zeit haben, sich um die vielen Verpflichtungen außerhalb der Lohnarbeit zu kümmern.

Großzügigen Kindesunterhalt gezahlt

Da passt es ins Bild, wenn „Elon Musk Musk behauptet, er habe »immer sehr großzügigen Kindesunterhalt gezahlt«“ um der Beschwerde zu entgegnen, dass er sich nicht um seine Kinder kümmert. Menschen, die einfach jedes Problem mit dem Geld zuschütten, welches andere erwirtschaften, kann man kaum erwarten, dass sie noch einen Bezug zu den vielen Pflichten und Aufgaben haben, die weniger gut betuchte Menschen bewältigen müssen.

Trotz vieler Arbeitsstunden keine Zeit für Kunden

In eigener Sache: In dem oben erwähnten Schreiben erklärt Sergey Brin zudem, man wolle bei Google künftig keine „Nanny-Produkte“ mehr entwickeln. Gemeint sind Produkte, die mit Filtern daherkommen und „Entscheidungen ablehnen“. Man müsse den Nutzern mehr vertrauen.
Nachdem meine Frau bei YouTube, das zu Google gehört, ein Video hochgeladen hatte, das nicht gegen Gesetze verstößt, von den internen YouTube-Richtlinien gestattet ist und es bei YouTube unzählige andere gleichartige Videos gibt, wurde der das Video einer nicht nachvollziehbaren allgemeinen Begründungen ohne Vorwarnung und Möglichkeit zur Stellungnahme gelöscht, der Kanal gesperrt und der Google-Account lebenslang für YouTube gesperrt. Zudem erhielt sie ein lebenslanges Verbot, einen neuen Account anzulegen.

https://www.metanox.de/willkuerliche-sperrung-eines-youtube-kontos-aufgrund-eines-videos-zur-hundezucht/

Kontaktaufnahmeversuche, selbst von Anwälten, werden weitgehend ignoriert oder mit allgemeinen Floskeln beantwortet, die dem Anschein nach von einem KI-Bot stammen. Zeit oder Motivation haben die Mitarbeiter bei Google offensichtlich nicht, sich mit dem Fall individuell zu befassen. Ich wage zu bezweifeln, dass der Umgang mit den Kunden und Nutzern der Google-Produkte bei einer 60- oder 80-Stunden-Woche besser werden würde. Vermutlich soll die zusätzliche Arbeitszeit nicht in den Kunden-Support investiert werden, sondern in die finanziellen Gewinne der Konzerninhaber, so dass noch mehr Geld von Fleißig nach Reich umverteilt wird.

Es wäre schön, wenn bei Google nicht irgendwelche Mitarbeiter, welche sich nicht eingehend mit der jeweiligen Thematik beschäftigen oder gar Nanny-Bots einfach Accounts lebenslang sperren und dann jegliche Argumentationen weitgehend ungeprüft ignorieren und die Anwender und Kunden lediglich mit allgemeinen Floskeln abspeisen. Wenn der Mitbegründer von Google Produkte, die mit Filtern daherkommen und „Entscheidungen ablehnen“ nicht befürwortet, dann kann er dem ja entgegenwirken und die Prozesse in seinem Unternehmen optimieren und dabei vielleicht auch etwas kundenfreundlicher gestalten. Vermutlich wird er an diesem Zustand nichts ändern, sondern seine Mitarbeiter der von ihm angeschriebenen KI-Abteilung eher dazu zwingen, 60 oder 80 Stunden in der Woche KI-Bots zu programmieren, die irgendwann die Programmierer selbst ersetzten und neben bei auch noch die Anwälte von Google, welche nichts besseres zu tun haben, als auch gerechtfertigte Beschwerden gegen das Unternehmen abzuschmettern. Google kann dann seine Mitarbeiter, Kunden und Nutzer beliebig schlecht behandeln. Regeln und Gesetzte kann das Unternehmen dabei sehr „großzügig“ auslegen. Und wenn man versucht, gegen diese skrupellose Behandlung durch den Konzern anwaltlich vorzugehen (nachdem persönliche Kontaktaufnahmeversuche ignoriert wurden), können die KI-Anwälte von Google mit in Sekundenbruchteilen generierten dutzenden Seiten lange Schreiben die teuren echten Anwälte der geschädigten Nutzer zumüllen. Das ist dann ein sehr ungleiches Kräftemessen, denn normalen Menschen werden nicht unbedingt einen Zugriff auf die besten KI-Anwälte haben, wenn die Konzerne dies nicht wollen. Die echten Anwälte müssen dann für 300 Euro die Stunden zuzüglich Steuern die Texte lesen und verstehen, um anschließend dazu Stellung zu nehmen. Danach werden die KI-Bots in kürzester zeit gleich das nächste lange Schreiben mit viel juristischem Bla-Bla aufsetzen und auf die Antwort warten. Das kann dann so lange gehen, bis der Geschädigte pleite ist.

Schade, dass die vermögenden Konzernbosse ihre Macht und ihren Reichtum nicht dazu nutzen, um zumindest ihr Unternehmen zu einem besseren Ort für die Menschen zu machen. Dafür müssten sie sich sicher nicht verausgaben. Sie müssten lediglich auf einen Teil der Einnahmen verzichten, den ohnehin andere Menschen oder Roboter oder KI-Bots für sie erarbeiten und diesen dann in Projekte und Produkte investieren, die zwar weniger Gewinn abwerfen, aber dafür wieder etwas mehr Menschlichkeit ins Unternehmen bringen.
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