In diesem Video „Beim Klauen erwischt! – 1 Tag als Ladendetektiv“ zeigt der YouTuber tomatolix, wie Ladendetektive arbeiten. Ab etwa Minute 16 ertappen die Ladendetektive einen Kunden, der einen Artikel nicht ordnungsgemäß gescannt hat. Der Kunde hat den Artikel allerdings über den Scanner gezogen und der Vorgang wurde laut dem Kunden durch ein Piepsen bestätigt, so dass er annahm, dass der Vorgang erfolgreich war. Der Ladendetektiv einer EDEKA-Filiale reagiert sehr ungehalten und warf dem Kunden vor, dass er sich über die Anzeige auf dem Display zu versichern hat, dass die Waren ordnungsgemäß gescannt wurden. Abgesehen von dem wenig professionellen Verhalten des Ladendetektivs, stellt sich hier die Frage, wie weitreichend die Verpflichtungen der Kunden sind. Kunden sind für die Tätigkeit nicht ausgebildet und werden für ihre Arbeit auch nicht bezahlt. Wenn der Signalton nicht genügt, um einen Erfolg des Scans zu signalisieren, und der Kunde auch unbezahlt für jeden einzelnen Artikel die Anzeige auf dem Display kontrollieren muss, muss der Kunde dann vielleicht auch prüfen, ob der beim Scan erzeugte Datensatz ordnungsgemäß in die Datenbank geschrieben wurde und ob diese Daten zuverlässig gesichert und vor Datenverlust geschützt sind?
Und müsste nicht der Ladenbetreiber dafür sorgen, dass Fehler auch von Kunden ohne Ausbildung an den Geräten leicht und zuverlässig erkannt und dann behoben werden können?
Kriterien der Software-Ergonomie
An der Stelle sollte kurz auf allgemeine Regeln der Software-Ergonomie eingegangen werden.
Software-Ergonomie (zur Wortherkunft siehe Software und Ergonomie) ist die Arbeit hin zu leicht verständlicher und schnell benutzbarer Software unter den gebotenen technischen Möglichkeiten und unter der Einhaltung definierter bzw. empirisch entstandener Standards und Styleguides. Die Software-Ergonomie ist ein Teilgebiet der Mensch-Computer-Interaktion, und ihr Ergebnis ist die Gebrauchstauglichkeit von Computerprogrammen.
Software sollte verschiedene Kriterien einhalten, damit sie gut und zuverlässig bedient werden kann. Die Einhaltung dieser Regeln ist von besonderer Bedeutung, wenn die Software von Benutzern bedient werden soll, welche für das System nicht geschult sind.
Nachfolgend ist ein Auszug der relevanten Kriterien aufgelistet:
Selbstbeschreibungsfähigkeit: Verständlichkeit durch Hilfen / Rückmeldungen
Lernförderlichkeit: Minimierung der Erlernzeit, Metaphern, Anleitung des Benutzers
Erwartungskonformität: Konsistenz, Anpassung an das Benutzermodell
Fehlertoleranz: unerkannte Fehler verhindern nicht das Benutzerziel, erkannte Fehler sind leicht zu korrigieren
Die Verwendung von Selbstbedienungskassen und Handscannern durch Kunden muss also möglichst leicht und intuitiv möglich sein. Dies wird durch Geräte erreicht, deren Bedienunkonzept sich leicht erschließt (Selbstbeschreibungsfähigkeit), deren Funktionsumfang leicht erlernt werden kann (Lernförderlichkeit), die sich so verhalten, wie man es erwartet (Erwartungskonformität) und die bei Fehlern nicht in einen ungültigen Zustand gelangen (Fehlertoleranz).
Missachtung der softwareergonomischer Kriterien bei EDEKA und Globus
Dies Grundregeln scheinen bei den Kassen der EDEKA-Filiale nicht umfassend eingehalten zu sein. Wenn dem Kunde durch den Signalton beim Scannen ein erfolgreicher Scan suggeriert wird, obwohl das gescannte Produkt nicht korrekt erkannt oder der Datensatz nicht gespeichert werden konnte, dann sind mindestens die Kriterien der Erwartungskonformität und der Fehlertoleranz nicht eingehalten!
Dieses mangelhafte Verhalten ist mir auch mehrfach bei Handscannern in einem Globus-Verbrauchermarkt aufgefallen. In diesem Markt nimmt man den Scanner mit durch den Markt und scannt während des Einkaufs die einzelnen Produkte, bevor man sie in den Einkaufswagen legt. Der Signalton bei einem fehlerhaften Scan klingt bei diesen Scannern allerdings wie der Ton bei einem erfolgreichen Scan. Blickt der Kunde nicht bei jedem Scan auf das Display, kann er im Fehlerfall nicht erkennen, dass der Scan nicht erfolgreich war!
Es ist nicht nachvollziehbar, wieso hier nicht mit unterschiedlichen Signaltönen gearbeitet wird. Selbst reguläre Kassen waren häufig akustisch, wenn beispielsweise alkoholische Getränke gescannt werden. Es sollte somit keine Problem sein, bei fehlerhaften Scans durch einen auffälligen Warnton auf die Situation hinzuweisen und auf dem Display dann Lösungsmöglichkeiten anzuzeigen. In meinem Fall half es übrigens immer, den Artikel noch einmal erneut einzuscannen. Hierzu könnte auf dem Display auch geraten werden. Wenn auch weitere Versuche fehlschlagen, sollte durch eine Anweisung auf dem Display dazu geraten werden, einen Mitarbeiter zu kontaktieren.
Als Kunde lernt man recht schnell, dass der Signalton den Abschluss eines Scans signalisiert und geht davon aus, dass der Vorgang erfolgreich war. Naheliegenderweise werden Kunden sich irgendwann auf die Töne verlassen und nicht immer wieder einen Blick auf das Display werfen und kontrollieren, ob in einer langen Liste der bereits gescannten Artikel eine weitere unscheinbare Zeile hinzugefügt oder neben einen bereits gescannten Artikel die Anzahl erhöht wurde. Wenn Kunden Fehler beim Scannen nicht am Ton erkennen können, dann kann es leicht passieren dass einzelne Artikel nicht berechnet werden. Sollte dies bei einer Kontrolle auffallen, muss der Kunde mit einer hohen Vertragsstrafe rechnen und zudem drohen ihm ein lebenslanges Hausverbot. Falls der Kunde dann zukünftig ein Betretungs- oder Hausverbot missachtet, begeht Hausfriedensbruch und damit eine Straftat nach § 123 StGB. Dem Kunden könnte dann sogar eine Geld- oder Gefängnisstrafe drohen.
In Anbetracht dieser drastischen Konsequenzen, ist es mir völlig unverständlich, warum bei Kassensystemen, welche von ungeschulten Kunden bedient werden, selbst einfachste softwareergonomische Kriterien nicht eingehalten werden, um versehentliche Fehlbedienungen zu vermeiden. Bei der Benutzung von Selbsbedienungskassen lagern die Unternehmen nicht nur die Arbeit auf die Kunden aus, welche als unbezahlte „Hilfskräfte“ eingespannt werden, sie lagern auch noch das Risiko durch Fehler auf die Kunden aus. zumindest die Hard- und Software sollte also hervorragend funktionieren und dazu beitragen dass eine Bedienung auch von einem gestressten und vielleicht überforderten Kunden fehlerfrei abläuft. Es ist unverschämt, wie die Unternehmen mit den Self-Checkout-Kassen die Kosten und auch die Risiken auf die Kunden abwälzen. Ganz nebenbei können die Händler auch noch viele durchaus sehr persönliche Informationen über die Kunden ermitteln und analysieren. Von den Kunden wird erwartet, dass sie sich anständig verhalten, das Unternehmen nicht betrügen und nicht klauen. Die Unternehmen lassen mit ihrem Verhalten jedoch ethische und moralische Standards vermissen.