Berichte

Gemeinsame Verantwortung für eine gerechte Gesellschaft

Ich beginne wiedereinmal mit ein paar Worten zu den Grundlagen der heutigen Geldsysteme. Egal, ob Euro, Dollar oder Yen. Bei allen Geldsystemen haben die Besitzer privater Banken die Hoheit über das vorhandene Geld. Wenn ich beispielsweise 100 Euro benötige, dann darf ich mir dieses Geld nicht selbst drucken oder auf meinem Konto gutschreiben. Ich muss bei einer Bank nach einem Kredit fragen. Sofern der Bankverkäufer, der sich meinem Wunsch nach einem Kredit annimmt, mich für kreditwürdig hält, wird er mir 100 Euro auf dem Konto gutschreiben. Natürlich nicht, ohne auch eine Schuld von 100 Euro zu vermerken. Hinzu kommen die Zinsen, die nach einem Jahr fällig werden. Wenn der Zinssatz 10 Prozent beträgt, dann muss ich in einem Jahr 110 Euro zurückbezahlen.
Und genau da fangen die Probleme an. Bei jeder Kreditvergabe wird die vorhandene Geldmenge um die Höhe des Kredites ausgeweitet. In diesem Fall hat die Bank 100 Euro in Form von Buchgeld geschöpft, also neu geschaffen. Die Geldmenge ist um genau 100 Buchgeld-Euro gestiegen. Die 100 Euro des Kredites können theoretisch zurückbezahlt werden, da sie ja vorhanden sind. Ich muss nur zusehen, dass ich rechtzeitig an das Geld komme. Zurückbezahlen soll ich aber 110 Euro. Das sind 10 Euro mehr, als beim Vorgang der Kreditvergabe in Umlauf gekommen sind. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, dieses Geld für die Zinsen aufzutreiben:

Wenn jemand (ich selbst oder ein anderer) einen weiteren Kredit von 10 Euro aufgenommen hat, und dieses Geld letzten Endes auf meinem Konto angekommen sind (durch ehrliche Arbeit, Betrug, Raub oder eben der eigenen Kreditaufnahme), dann kann ich die Zinsen zurückbezahlen. Es sollte einleuchten, dass die Gesamtverschuldung dadurch erneut angestiegen ist und die Zinspflichten der beteiligten Schuldner im nächsten Jahr noch höher sein werden.
Es bleibt noch eine zweite Möglichkeit. Das Geld für die Zinsen könnte vom aktuell vorhandenen Guthaben abgeschöpft werden. Dadurch sinkt natürlich die Geldmenge. Wenn man einige Jahre lang das vorhandene Vermögen nutzt, um anfallende Zinsen zu bezahlen, ist irgend wann kein Geld mehr verfügbar, die Schulden bestehen aber weiterhin. Diese Möglichkeit ist also eher theoretischer Natur und funktioniert nicht lange in der Realität.

Daraus folgt, dass die erste Möglichkeit angewendet wird. Alte Zinspflichten werden durch neue Schulden beglichen. Dadurch steigt natürlich die Verschuldung, sogar mit exponentiell wachsender Geschwindigkeit, an. Die Wirtschaft muss entsprechend wachsen, um die Sicherheiten zu generieren, welche die Banken im Gegenzug zur Vergabe von Krediten erwarten und enstrechend rasant werden die Rohstoffe ausgebeutet und die Umwelt zerstört. Ganz nebenbei werden noch die Vermögen von den arbeitenden armen Menschen zu den nicht-arbeitenden reichen Menschen umverteilt. Wenn das Wirtschaftswachsum nicht mit dem Wachstum der Forderungen durch Zins und Zinseszins Schritt hält, müssen die in der Vergangenheit geschaffenen Polster, also die bereits vorhandenen Ressourcen, wie etwa die Sozialleistungen oder die bestehende Infrastruktur, in die Umverteilung einbezogen werden: Die Sozialleistungen werden abgebaut und die Infrastruktur verfällt.
Genau diese Dinge können wir seit Jahren beobachten. Immer mehr Menschen rutschen in die Armut ab, Gesundheitsfürsorge wird zum Luxus und Schulen und Kindergärten verfallen, wenn sie nicht von den Eltern in Eigeninitiative renoviert werden. Gleichzeitig werden ganz wenige Menschen durch Zinseinkünfte so reich, dass sie nicht mehr wissen, wo sie Ihr Geld unterbringen sollen und verzweifelt nach Steuerparadiesen und lukrativen Spekulationsgeschäften Ausschau halten.

Der Weg der permanenten Ausweitung der Verschuldung funktioniert beachtlich lange. Grenzen werden beispielsweise Umgangen, indem man immer mehr Länder in den Umverteilungsmechanismus einbezieht, wie die Entwicklung der Europäischen “Gemeinschaft” zeigt. Dadurch können Länder, die bereits kurz vor dem Finanzkollaps stehen, noch einmal von den etwas besser aufgestellten Ländern aufgefangen werden.
Aber natürlich kann auch diese “Lösung” nicht dauerhaft erfolgreich sein. Irgendwann ist es nicht mehr möglich, so viele kreditwürdige Nachschuldner zu finden, um die anfallenden Zinsverpflichtungen erfüllen zu können. Selbst wenn die Banken immer aggressiver darum werben, ihre zweifelhaften Finanzprodukte unters Volk zu bringen und selbst einem obdachlosen Drogenjunkie einen Kredit für den Kauf einer Eigentumswohnung geben.

Die Ursache der Probleme, die uns plagen, liegt ganz wesentlich im Zinssystem begründet, das durch den Zwang zur permanenten Erhöhung der Verschuldung und dem damit einhergehenden Zwang zum Wirtschafrswachstum, zunehmende soziale Spannungen erzeugt. In diesem System können nicht alle Gewinnen. Es kann nur wenige Gewinner geben, während alle anderen zu Verlierern werden. Vereinfacht gesagt ist jeder, der nicht von den Zinseinkünften auf sein vorhandenes Vermögen leben kann, ein Verlierer in diesem System und muss das Leben der wenigen Gewinner durch seine Arbeitskraft finanzieren. Während viele Menschen nicht wissen, wie sie die nächte Miete für eine Wohnung in einem heruntergekommenen Stadtviertel bezahlen sollen, finanzieren sie über den Umverteilungsmechnismus der Steuern und Staatsverschuldung die Villen der Superreichen mit unzähligen Schlafzimmern, Bädern mit vergoldeten Wasserhähnen und den Swimmingpools von denen man beim Schwimmen aus direkt über das angrenzende Meer schauen und die Schiffe am Horizont beobachten kann.

Und in Anbetracht dieser asozialen Geldordnung, die es ganz wenigen ermöglicht, auf Kosten der restlichen Menschen ein völlig überzogenes und dekadentes Leben zu führen, fordern Vertreter der großen Kirchen im Rahmen des aktuellen ökumenischen Sozialwortes eine “gemeinsame Verantwortung für eine gerechte Gesellschaft”.[1] Welch ein Hohn, wenn man bedenkt, dass die großen Kirchen selbst kräftig an zinsbasierten Finanzgeschäften beteiligt sind, obwohl das Zinsnehmen in der Bibel sogar als ein solch schweres Vergehen gesehen wird, dass es mit dem Tode zu bestrafen ist.
Die Kirchen, die selbst von diesem System entgegen ihrer eigenen Regeln seit jeher profitieren und keine Anstalten machen, die wahren Ursachen für die Probleme vom Geldsystem erzwungenen Probleme zu beseitigen, reden von einer sozialen Verantwortung. Das ist eine Heuchelei, die ihresgleichen sucht. Wenn man diese Zusammenhänge kennt, wird deutlich, dass es den beiden Kirchen nicht wirklich um eine gerechte Gesellschaft geht. Die Kirchen wollen als überaus vermögende Institutionen weiterhin vom leistungslosen Zinseinkommen profitieren. Da wundert es nicht, dass die Vertreter der Kirchen prinzipiell ein Renteneintrittsalter mit 67 Jahren befürworten. Begründet wird dies zwar mit der Sicherung des Rentenniveaus, aber letzten Endes geht es darum, mehr Menschen für das notwendige Wirtschaftswachstum zu beschäftigen und gleichzeitig Sozialleistungen abzubauen. Ein doppelter Sieg für das zinsbasierte Finanzsystem und ein dreifacher Sieg für die Kirchen, die auf der einen Seite weitgehend unbemerkt vom zinsbasierten Finanzsystem profitieren und gleichzeitig als Wohltäter erscheinen, wenn sie von der Sicherung des Rentenniveaus reden.

Ginge es den Kirchen tatsächlich um eine gerechte Gesellschaft, dann könnten die Vertreter dieser Institutionen in den Predigten viele Menschen über die Zusammenhänge und Probleme des Geldsystems aufklären. Bei den Predigten erreichen die Kirchen Menschen in den größten Städten und in den entlegensten Dörfern. Selbst Sendezeiten in Radio und Fernsehen stehen ihnen zur Verfügung und das Internet wäre ein weiterer Kommunikationskanal, über den viele Menschen erreicht werden könnten. Die Kirchen haben die Chance, weite Teile der Bevölkerung zu erreichen und zumindest bei den älteren Menschen, werden Vertreter der Kirche häufig noch als Autoritätsperson und Vorbild gesehen, deren Worte große Bedeutung haben.

Ja, die Kirchen könnten ein echtes Bewusstsein für die wahren Ursachen der Probleme schaffen. Sie könnten solche Informationen weitergeben, wie sie von der Wissensmanufaktur erarbeitet und beispielsweise in dem lesenswerten Artikel “Steuerboykott” publiziert werden. Der Titel klingt recht provokativ, aber der Text verdeutlicht die Zusammenhänge des Geldsystems und die systemimmanenten Gefahren auf anschauliche Weise.
Wenn genügend Menschen die wahre Ursache der heutigen Probleme erkennen, könnte ein umfassendes Umdenken stattfinden. Dann hätten alternative Geldsysteme, die längst entwickelt sind, endlich Chancen etabliert zu werden. Die Kirchen könnten sich selbst an Geldsystemen beteiligen, die ohne Zins und Zinseszins auskommen und die Notwendigkeit des zinsbasierten Geldsystems immer weiter reduzieren, wie es auch in der Bibel gefordert wird.
Bei einem fairen Geldsystem, dass nicht das Geld der Arbeitenden Menschen zu den nicht arbeitenden reichen Zinsempfängern umverteilt, bestünde vermutlich nicht mehr die Notwendigkeit, bis 60, 65 oder 67 Jahre zu arbeiten und die Menschen müssten auch nicht mehr so viele Stunden am Tag oder so viele Tage in der Woche arbeiten. Immer mehr Arbeiten werden ohnehin von Maschinen erledigt. Es wird mit Voranschreiten der technischen Entwicklung der Gesellschaft einfach immer weniger menschliche Arbeitskraft benötigt. Das ist im Prinzip nicht schlecht. Es muss aber dafür gesorgt werden, dass die Menschen auch ohne Arbeitsplatz ein Einkommen haben. Die altmodische strikte Verknüpfung des Einkommens mit dem Arbeitsplatz ist nicht mehr zeitgemäß und muss aufgehoben werden. Gleichzeitig darf es keine Zinseinkünfte mehr geben.
In einem wirklich sozial ausgerichteten System sollte auch derjenige, der nicht arbeiten will oder kann genügend Geld haben, ein würdiges Leben zu führen, natürlich ohne dass die Kosten dafür auf den Rest der Gesellschaft umgewälzt werden. Wer arbeitet sollte im Rahmen eines guten Geldsystems die Möglichkeit haben, ein wohlhabendes Leben mit einem gewissen Maß an Luxus zu führen. Und wer bisher auf Kosten der Allgemeinheit durch Zinseinkünfte unvorstellbar reich geworden ist, wird entweder mit einem kleinen Geldbetrag zurechtkommen müssen, wie jeder andere auch, der nicht arbeitet, oder er muss arbeiten, also Dienste und Leistungen anbieten, für die andere Menschen bereit sind, zu bezahlen.

Literaturverzeichnis:
[1]
Deutsche Kirchen – Soziale Marktwirtschaft weiterentwickeln; Katholischen Presseagentur Österreich; kathweb; http://www.kathweb.at/site/nachrichten/database/60819.html; 28.02.2014
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